Schwarzwaelder Dorfgeschichten
in ihrer zerfallenen Behausung. Ein Hund schlug auf Alban an. Was ist das? Das ist ja der Greif. Wie kommt der daher? Alban eilte die Treppe hinan, Vreni kam ihm entgegen.
»Geh' nicht hinein,« sagte sie.
»Warum? Wer ist da?«
»Dein Vinzenz.«
»Was will er?«
»Nur Gutes. Er hat dem Vater auch vierhundert Gulden versprochen, daß er mit uns kann, wenn du mit mir auswandern willst. Alban, jetzt werden wir ja glücklicher als wir's je gedacht haben. Jetzt leg' deinen Stolz ab und es ist Alles gut.«
»Für deinen Vater sorg' Ich und nicht mein Bruder. Er hat nicht mehr als ich auch. Ich und die Meinigen wir nehmen nichts geschenkt. Laß mich.«
Er riß sich von Vreni los und stürmte in die Stube. Vinzenz zuckte zusammen als er ihn sah.
»Du hast nichts da zu schaffen. Marschir' dich,« gebot Alban.
»Das Haus ist mein,« entgegnete Vinzenz, »und ich kann dich 'nausjagen.«
Der Nagelschmied stellte sich vor Alban und Vinzenz verließ die Stube.
Der Nagelschmied redete nun dem Alban gütlich zu und dieser sagte endlich, er müsse seinem Bruder nach und noch einmal im Guten mit ihm reden. Er eilte von dannen und rief seinen Namen. Unweit des Felsens, dort wo sie vorgestern am letzten Marksteine gesessen, von dorther hörte Alban das Bellen eines Hundes und eine Stimme rief: »Fass' ihn!« Der Greif sprang wie ein Tiger an Alban empor, aber dieser kam ihm zuvor, faßte ihn am Genick und schleuderte ihn in die Schlucht.
»Du hetzest den Hund auf mich!« schrie Alban, rannte nach seinem Bruder, packte ihn und stumm rangen die Beiden mit einander; da polterte es, es war kein Geländer da, und fest einander umklammernd stürzten die Beiden den Felsen hinab und der Bach spritzte auf.
Wo ist dein Bruder!
Dunkle stille Nacht war's, als Alban erwachte. Er griff um sich und schaudernd prallte er zurück, er faßte ein Menschenantlitz. Die Erinnerung tauchte in ihm auf, das war Vinzenz, sein eines Auge glitzerte starr in der dunkeln Nacht. Er rief ihn mit Namen, er wusch ihm das Antlitz, kein Laut, keine Bewegung. Er legte sein Ohr an das Herz des Bruders. Ach zu spät! Dieses Herz schlug nicht mehr. Er rief laut um Hülfe zu Gott und den Menschen, vergebens, keine Antwort ertönte. Er raffte sich auf und trug den Bruder in den Armen am Bachesufer fort, er riß sich blutig an den Felsen, aber er ließ nicht los. Jetzt schritt er in den Wald, aber er brach zusammen unter der Last und laut weinend warf er sich auf sie nieder und sprang dann davon, durch die Nacht hin immer: »Vinzenz! Vinzenz!« rufend. Er stand vor dem elterlichen Hause, Alles kam ihm entgegen.
»Wo ist dein Bruder?« fragte der Vater.
»Im Walde, todt,« stöhnte Alban und ein Blutstrom quoll ihm bei diesen Worten aus dem Munde.
Der Vater riß die Axt aus der Thürpfoste und wollte auf Alban los, Alban kniete nieder wie ein Opferlamm; aber Dominik fiel dem Vater in den Arm und schleuderte ihn zurück mit den Worten:
»Habt Ihr nicht genug Elend, wollt Ihr noch mehr?«
»Du legst Hand an mich?« schrie der Furchenbauer.
»Ja ich,« erwiderte Dominik trotzig. Er hob Alban in die Höhe und fragte ihn, wo Vinzenz liege. Alban bezeichnete die Stelle, dort wo er am Tage vorher im Unmuthe mit dem Beil das Geländer hinabgeschleudert hatte.
Die Knechte, die fremden Drescher, die in den Scheunen schliefen, wurden aufgeboten und mit Fackeln zog man hinaus: Alban wollte mit, aber beim ersten Schritt brach er zusammen und mußte in die Stube getragen werden.
Durch den nächtigen Wald lief der Furchenbauer mit der Fackel und rief immer: »Vinzenz! Vinzenz!« so daß er zuletzt nur noch mit heiserer Stimme den Namen lallen konnte.
Es wurde Tag, aber das war kein Tag, ein fester Nebel stand über Berg und Thal, man ging in Wolken, man sah nicht Himmel nicht Erde, kaum den Schritt breit wo man stand. Im Haupthaar und im Barte des Furchenbauern stand der eisige Reif und nur noch vor sich hin murmelte er den Namen: Vinzenz.
Man fand Vinzenz an der bezeichneten Stelle nicht, Alban mußte nicht recht gewußt haben, wo er ihn abgelegt.
Der Tag stieg höher, aber der Nebel wich nicht, er war mit Händen zu greifen, als sechs Mann auf einer Bahre aus Baumstämmen die Leiche des Vinzenz daher brachten. Unter dem Hofthore drückte ihm der Vater das Eine Auge zu, dieses Auge, das so vorwurfsvoll drein starrte. Keine Thräne kam über die Wange des Furchenbauern und starr schaute er auf die Frau und auf Ameile, die bei dem entsetzlichen Unglücke doch
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