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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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rief:
    »Seb, geh heim, dein Haus ist auseinander.« Die Sturmglocke läutete, um unter dem Regensturze das ganze Dorf wach zu halten. Alles war um das Haus Sebs versammelt, und verzweifelnd sah dieser, wie das Haus mitten auseinander in zwei Stücke gefallen war, gerade in jenem Zwischenraume, zwischen dem Buchstaben
S
und
Z
war das Dach auseinander gerissen. Man eilte in das Haus, um die Frau und die Kinder zu retten und vom Regen triefend brachte man sie heraus. Zilge schien ganz verwirrt und besinnungslos. Sie hatte keinen Versuch zu ihrer Rettung gemacht, sie sprach kein Wort, hielt ihre Kinder fest in ihren Armen und ließ sich dieselben von Niemand abnehmen. Erst als man ihr sagte, daß sie nicht mehr in das Haus zurückkehren dürfe, erst als ihr die Nachbarn anboten, daß sie bei ihnen wohnen möge, sagte sie:
    »Soll ich denn nicht mehr in meinem eigenen Haus wohnen? in einem fremden?«
    Der Küfer hatte eine hohe thurmartig zugespitzte Beuge Faßbretter neben dem Hause Sebs stehen, sie waren nicht zusammengestürzt, weil das Wasser durch die Zwischenräume durchfloß. Seb biß auf die Lippen, als der Küfer ihm selbstgefällig sagte: »Ich kann allem Anschein nach besser bauen als du.«
    Während man Zilge und die Kinder nach dem Nachbarhause brachte, wurden mächtige Stützen an das Haus angestemmt, daß es nicht vollends einstürze. Das Schreien und die Axtschläge tönten dumpf mitten im Regensturme.
    Der blaue Frühlingshimmel spannte sich über die reichgetränkte, grünende Erde, die Schwalben kamen wieder, aber Seb riß denen an seinem Hause das Nest ein. Diese scheinheiligen Thiere hatten also doch gelogen! Sie sollten darum auch nicht mehr bei ihm wohnen. Sie umzwitscherten ihn wie vorwurfsvoll, während er sein Haus wieder zusammenrichtete, aber er war jetzt ingrimmig auf Alles in der Welt, was auf der Erde, in der Luft und im Himmel. Es hatte im wahren Sinne des Wortes Unglück auf ihn herabgeregnet. Bei dem Rechtshandel mit dem Ziegler hatte er Nichts gewonnen als einen unversöhnlichen Feind. Mit knapper Noth hatte er vom Bauamt die Erlaubniß erhalten, sein Haus wieder aufzurichten, und noch schwerer ging es, eine Hypothekenschuld auf dasselbe aufzunehmen, um neu bauen zu können.
    Die Bauverträge, die er für diesen Sommer abgeschlossen hatte, wurden ihm entzogen, und er wagte es nicht vor Amt deshalb zu klagen; ja, die Bauten, die er schon ausgeführt hatte, ließen die Besitzer noch einmal gerichtlich besichtigen und mancher Uebelstand kam dabei zu Tage. Von Gesellenhalten war jetzt keine Rede mehr, er mußte froh sein, wenn man ihn selber als Gesellen annahm. Während er jetzt einsam arbeitete und nicht mehr wie ehedem mit dem Vater, und doppelt schwierig, weil er ein verpfuschtes Werk einzurenken hatte, gingen ihm schwere Gedanken durch die Seele. Er mußte darüber nachdenken, wie es denn wäre, wenn er die letzte Handreichung des Vaters nicht abgelehnt hätte, und jetzt sah er auf einmal, daß das Rechtschaffene auch das Klügste ist. Läge auch die ungerechte Schuld auf dem Vater, er selber wäre dadurch doch nicht frei. Darum ist es doppelt gut, daß der Name des Vaters rein geblieben, und sein Segen wird nicht ausbleiben. Oft, wenn Seb der Arbeit überdrüssig war, warf er seinen Hammer weg und nahm den vom Vater ererbten auf, und Alles ging so leicht von Statten als ob ein Anderer für ihn arbeite.
    Jeden Morgen, wenn er auf die Baustätte kam, seufzte er tief und ließ die Hände hängen. Jetzt mußte er jede Baufuhre bezahlen und fand dabei noch unwillige und höhnende Helfer. Sein ganzer Ruf, sein Glück und sein Besitzthum waren dahin, und alles Das, weil er sich hatte verleiten lassen, einen stolzen und eigenen Bau auszuführen. Ein längst erstorbener Keim trieb wieder neue Knospen. Er gedachte jetzt, daß sich Zilge berühmt hatte, sie habe ihn zu dem Bau gedrängt, um seinen Ruf dadurch zu gründen. Er machte ihr nun darob Vorwürfe, daß sie ihn zum Hausbau verführt habe und als sie erwiderte:
    »Ich bin unschuldig. Wenn du kein Haus allein bauen kannst, hättest es sollen bleiben lassen,« da war er doppelt grimmig; auch sie verletzte seine Handwerksehre. Sie sagte zwar nur, was alle Leute sagten, aber eben das sollte sie nicht, meinte er, sie sollte sein Ungeschick für ein Unglück ansehen.
    Als er dies mit Schmerz und Zorn darlegte, suchte sie ihn damit zu beschwichtigen, daß sie sagte:
    »Vielleicht ist dein Vater selig schuld, du hast ihm immer zu viel gefolgt.«

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