Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
Das hieß aber ein Feuer mit Oel löschen wollen. Seb wurde über diese Rede noch ingrimmiger.
    Oft war es ihm, als sollte er alles Handwerksgeschirr wegwerfen und in die weite Welt laufen; hier zu Land war sein Ruf auf ewig vernichtet, und er kam nie mehr zu seiner alten Festigkeit. Aber er blieb doch.
    Von allen Bauverträgen, die ihm gekündigt worden, war ihm doch einer geblieben, nämlich das Umdecken des Kirchendaches und des Thurmes mit neuen glasirten Ziegeln.
    Der Stiftungsrat hatte die Uebertragung an Seb aufrecht erhalten, obgleich bei seinen jetzigen Vermögensverhältnissen von der ausbedungenen vierjährigen Gewähr füglich nicht mehr die Rede sein konnte.
    Kaum war das Haus nothdürftig hergerichtet, und die Familie wieder eingezogen, als Seb sich an den Kirchenbau machte; er hoffte wieder frischer zu werden, wenn er nun wieder eine fremde Arbeit ausführte. Aber auch auf dem Kirchendach vergaß er sein Unglück nicht.
    Die Wege der Eigensucht sind tief verschlungen. Seb wälzte immer wieder die wesentliche Schuld seines Ungemachs auf Zilge, als hoffärtige Bierbrauerstochter hatte sie ihn dazu verleitet ein eigen Haus zu bauen. Freilich konnte er sich immer nicht verhehlen, daß ja Alles gut wäre, wenn er gut zu bauen verstanden hätte, und Zilge hatte keine Schuld daran, daß er seiner Unerfahrenheit vertraute und die Warnungen des Vaters überhörte; aber doch ließ ihn der Gedanke nicht los: das ganze Unglück wäre nicht da, wenn er nicht ein eigen Haus gebaut hätte. Wäre er seinem Plane gefolgt und hätte er nun sein Geld in einem Acker stecken, so könnte man es leichter wieder herauskriegen und sein Glück an einem andern Ort versuchen, die Welt ist ja so weit ... Bei dieser letzten Wendung seines Nachdenkens hielt er oft still, und ihm schwindelte, nicht vor der sichtbaren Tiefe unter ihm, aber vor einer andern, die sich in ihm aufthun wollte. Und zu diesem innern Sinnen gesellte sich plötzlich ein äußeres Wahrzeichen.
    Zu allen Zeiten hatte das zweiflerische und sorgenvoll bewegte Menschenherz sich gern aus dem umgebenden Naturleben, das sich in stetigen Gesetzen hält und bewegt, Rath und Richtung erholt.
    Als Seb dem Storchennest auf dem Giebel nahe kam, starrte er lange darauf. Das Storchenmännchen war schon da, es säuberte das verlassene Nest und setzte es neu in Stand, es hungerte gern bei der Arbeit, und erst wenn Alles wieder in der Richte, und Nahrung wieder ringsum vollauf ist, fliegt es zurück und holt das Storchenweibchen. Das Weibchen in der Ferne klagt nicht und jammert nicht, denn es weiß, der Mann baut und sorgt in der Ferne und holt es zur Zeit ...
    Der Speisbub, der für Seb den Mörtel auf das Dach trug, hatte ihn schon zweimal angerufen, aber er hörte nicht und starrte auf das Storchennest. Endlich machte er sich wieder an die Arbeit.
    Er verhöhnte sich und Zilge oft, indem er am Abend sagte: »Jetzt hast du doch kein eigen Hans, jetzt hat's die Hypothekenschuld.« Selbst die wiederkehrende heitere Laune der Zilge mißstimmte ihn. Er sah darin den thatsächlichen Beweis, daß sie alle Schuld auf ihn wälze, und sich gar keinen Theil davon zuerkannte.
     
Auf schwindelnder Höh'.
     
    Am Morgen als das Decken des Thurmes beginnen sollte, that Seb seine silberne Sackuhr aus der Tasche und hing sie an den Nagel.
    »Warum thust das? Nimm sie nur mit,« sagte Zilge.
    »Ich hör' auf dem Thurm schon schlagen, und ... man weiß nicht, es kann Einem was passiren, man ... man kann sich stoßen.«
    »Seb, sei heiter, unser Herrgott hält doch seine Hand über uns –«
    »Ja, er kann aber keinen Regen schicken, der mir die Hypothekenschuld abwascht.«
    »Mit Fleiß und Sparsamkeit können wir schon Manches abtragen, bet' nur recht, eh' du auf den Thurm steigst, und bet' auch, wenn du oben bist.«
    »Bet' du, du hast's an deiner Stickerei da geschickter.«
    »B'hüt' dich Gott Seb, und gieb mir auch ein' Hand.«
    »Ich bin zu alt zu solchen Kinderpossen, du hast mich lang genug warten lassen.«
    Dennoch küßte Seb beim Weggehen die Kinder und reichte auch Zilge die Hand. Zilge, die sonst keine Minute unnöthig von ihrem Stickrahmen aufstand, nahm das eine Kind auf den Arm und das andere an die Hand, und stand lange Zeit auf der Anhöhe hinter der Kirche und schaute hinauf zu ihrem Manne auf dem Thurme. Aber Seb schaute sich nicht um.
    Es ist eine alte weise Regel der Dachdecker, daß sie nicht über sich und nicht unter sich schauen dürfen; blickt Einer nach den

Weitere Kostenlose Bücher