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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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das mit den kleinen Thieren im Brachfeld pflügt, und hier unten der Ameisenhaufen, den man ein Dorf nennt – Ein Narr ist, der sich aus dieser schönen offenen Welt hinaustreiben läßt.
    Seb suchte unter dem Häusergewirre sein eigen Haus, er fand es bald, er konnte es gar nicht begreifen, daß er sich da wieder in Noth und Sorgen hineindrängen sollte.
    »Ich will ein größer Theil an der Welt haben,« sagte er vor sich hin. –
    Die Arbeit ging rasch von Statten. Der Schlosser und sein Geselle kamen mit dem neu vergoldeten Kreuze, Seb ließ es sich heraus reichen und steckte es auf die Thurmspitze. Die Schlosser nieteten das Kreuz im Innern fest, und als dieß vollendet war, ließ sich Seb die neuen Strümpfe und Schuhe herausreichen, die nach altem Brauch die Gemeinde dem geben muß, der das Kreuz auf den Thurm setzt. Seb schwang sich keck hinauf zu dem Kreuze, und abwechselnd es mit dem einen und dem andern Arme umklammernd, zog er hier hoch oben die neuen Schuhe und Strümpfe an. Er schaute nicht hinab, wo eine große Menschenmenge versammelt war, er hörte nur von dort Jauchzen und Wehklagen, es war ihm, als hörte er seinen Namen rufen, bald in Angst, bald in Freude.
    Wie zum Spott warf er seine alten Schuhe hinab auf das Dorf, schlüpfte durch die Lucke in die Glockenstube, füllte die Oeffnung aus und stand endlich wieder unten auf dem Boden unter der staunenden Menge.
    Noch fühlte er sich wie taumelnd, aber mitten im Taumel triumphirte sein Herz, sie hatten Alle bewundernd einsehen gelernt, welch' ein muthvoller geschickter Mann er war; und sie sollten noch Weiteres, Unerwartetes kennen lernen. Zilge war nicht unter den Versammelten. In seinen krachneuen Schuhen mit dem siegreichen Handwerkszeuge in der Hand ging Seb wie ein Siegesheld durch das Dorf.
    Aus allen Häusern glückwünschte man ihm, als käme er von einer großen Reise, er dankte freundlich. Es war ein zweideutiges Lob, als ihm sein Nachbar der Küfer sagte: »Es scheint, du kannst besser in den Himmel als in den Boden bauen.« Dennoch gab er ihm den Auftrag, andern Tages eine eingesunkene Gartenmauer hinter dem Hause herzurichten, da sonst aller Boden abrutsche. Seb sagte nicht zu und lehnte nicht ab.
    Zu Hause traf er Zilge am Stickrahmen, sie beugte ihr Angesicht tief auf denselben und redete kein Wort. Er nahm die Taschenuhr vom Nagel und steckte sie wieder zu sich. Die ganze Welt hatte ihn triumphirend begrüßt, und nur Zilge sprach kein Wort.
    Er wollte eben im Zorn darob die Stube verlassen, als er an der Thüre wieder umkehrte und fragte:
    »Zilge, verdien' ich gar kein Wort?«
    Sie antwortete nicht und stickte weiter.
    »Red', verdien' ich gar kein Wort?« wiederholte er zornig.
    »Mehr als eins,« erwiderte sie endlich, ohne aufzuschauen.
    »Und was?«
    »Was ich nicht sagen will.«
    »Du mußt aber.«
    Laut weinend klagte nun Zilge, wie sündhaft er mit seinem Leben gespielt habe, das doch ihr und den Kindern gehöre. Seb stand einen Augenblick erschüttert von diesen Worten, und halb im Scherz erklärte er, daß die Gemeinde sie und die Kinder hätte erhalten müssen, wenn er gestorben wäre.
    Mit einem eigenthümlichen Trotz entgegnete hierauf Zilge, daß sie allein sich und die Kinder erhalten könne, und sich nie von der Gemeinde erhalten ließe.
    Es durchzuckte Seb sichtbar, als er das hörte, aber er sprach lange nicht. Endlich erzählte er Zilge lachend, was das für eine Lustbarkeit, ein Knixen und Klappern und Schwingen gewesen sei, als heute der Storch mit seinem Weibchen ankam.
    »Die fangen jetzt von neuem zu hausen an,« schloß er, »und das Weible ist ganz glückselig, weil sie eine Zeitlang von ihrem Manne fortgewesen ist, und er das Haus neu hergerichtet hat.«
    »Was geht mich das dumme Zeug an?« schalt Zilge schon im schwindenden Unmuth, und Seb war froh, daß sie nicht mehr merkte und nicht mehr sagte.
    Drei Tage arbeitete er nun an der Gartenmauer hinter des Küfers Haus, und oft, wenn er aufschaute nach dem in der Sonne blinkenden Thurmkreuz, dachte er mit Schauder daran, wie er da oben geschwebt, und welche Gedanken ihm durch die Seele gezogen, und doch waren es in Lust und Leid übermüthige gewesen; jetzt aber stand er wieder auf ebenem Boden in einem Gartenwinkel und führte eine ärmliche Mauer auf. Wie er die Steine wälzte und meißelte, hob und legte, so hob und legte er manchen Gedanken hin und her, aber wie er's auch richtete, es blieb bei dem alten Vorsatz, wie bei einem unabänderlichen

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