Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
Bauriß. Am dritten Abend war die Mauer fertig, und Seb raffte mit einem schweren Seufzer sein Handwerkszeug zusammen. Er wußte es, das war seine letzte Arbeit im Dorfe. Er war jetzt los und ledig.
    Am Morgen früh zog er seine Gemeindeschuhe an und sagte Zilge, daß er sich in der Fremde Arbeit suchen wolle; hier zu Land, wo er Meister sei und Gesellen gehalten habe, könne er nicht mehr als Geselle arbeiten. Zilge, die ehedem seinen Stolz gereizt hatte, daß er Meister werden und selbst Bauten aufführen solle, wollte jetzt diesen Stolz beschwichtigen, aber es gelang ihr nicht mehr und mit bangem Herzen ließ sie endlich Seb scheiden.
    Er sagte ihr noch, wie viel sie von der Gemeinde für den Kirchenbau zu bekommen habe und hing seine Uhr, die er schon in der Tasche hatte, wieder an den Nagel. Zilge wollte, daß er sie mitnehme, er aber willfahrte ihr nicht und sagte, sie könne sie verpfänden, wenn sie kein Geld mehr habe. Wiederum stolz schwur sie, daß das nie geschehen würde, und endlich ging Seb von dannen.
    Die Kinder schliefen noch, das kleine Töchterchen mit seinen rothgeschlafenen Backen zuckte zusammen als er es küßte, und der Knabe Johannes, der unbewegt fortschlief, schrie noch als Seb die Hausthüre zumachte, plötzlich:
    »Vater bleib' da!«
    Seb reichte noch Zilge die Hand, preßte die Lippen zusammen, und fort rannte er, als jagte Jemand hinter ihm drein.
    Ein Bauer der am frühen Morgen seine Wiesen im Thale wässerte, sah den Seb, wie er lange dem Storchenpaare zuschaute, das gemächlich steif und stillernst durch die Wiesen stelzte, die Füße hoch hob und mit Kopf und Hals stets rechts und links nickte. Als der Bauer den Seb anrief, sagte dieser: »Ich geh auch in die Fremd' und komm' vielleicht vor dem Winter oder Frühjahr nicht wieder.« Der Nachbar Küfer traf den Seb in der Stadt, und ihm gab er den ausdrücklichen Auftrag, seiner Frau die Botschaft zu bringen, sie möge keine Sorgen haben, wenn sie vielleicht lange nichts von ihm höre.
    Das waren die letzten Nachrichten, an denen Zilge lange ihr Hoffen und Harren befriedigen mußte.
     
Siebenmal einsam.
     
    Schon am ersten Tage nach Sebs Abwesenheit hatte Zilge fast keine Ruhe mehr am Stickrahmen, ja, was ihr seit Jahren nicht geschehen, traf ein, sie mußte die Arbeit eines ganzen Tages wieder auftrennen, und da sie keinen Tageslohn entbehren konnte, mußte die Nacht das Verfehlte wieder einbringen.
    Sie hatte stets einen halben Gulden besonders gelegt, damit sie den Brief gleich bezahlen könne, den Seb ihr aus der Fremde schicke, und sagte sie sich auch wieder, daß er von seinem Verdienst den Brief frei machen könne, sie rührte das Geld nicht an. Oft mußte sie in überwallender Empfindung sich aufrichten, wenn sie daran dachte, wie lieb sie doch ihren Seb hatte, und sie machte sich Vorwürfe, daß sie ihm das nie so gezeigt; sie beruhigte sich aber bei dem Gedanken, daß sie bei seiner Heimkehr ihm den Himmel auf Erden schaffen wolle. Sie sah jetzt die Rechtschaffenheit und den Biedersinn Sebs in vollem Glanz, und wie getreu und sparsam er war, und wie er sie hoch hielt. Keine Frau weit und breit hat einen braveren Mann. Ja, sie schalt sich innerlich, daß sie nach Vollendung des Kirchendaches ihn nicht gelobt habe, sie hatte ja selber diesen übermüthigen Ehrgeiz in ihm gepflegt.
    Während sie sonst den verdienstlosern, Oel und Holz verzehrenden Winter fürchtete, freute sie sich jetzt darauf; da kehrt Seb heim, und sie sah oft staunend auf die Kinder, sie war jetzt sehnsüchtiger nach ihm, als da sie Braut gewesen. Ihr Herz pochte so heftig, wie an jenem Abend, nachdem sie ihn Tags vorher zum Erstenmal geküßt; alle Küsse, die ihr Seb je gegeben, entbrannten jetzt wieder auf ihren Lippen, und leise und verstohlen sang sie sich jetzt am Stickrahmen die Lieder, die sie einst mit ihm gesungen. Der kleine Johannes hütete sein Schwesterchen gut, und Zilge hatte viel Zeit zum stillen Denken und Grübeln. Wenn der kleine Johannes am Abend betete und den Vater in Gottes Schutz befahl, sprach sie dem Kinde immer die Worte leise nach, und oft in stiller Nacht schaute sie stundenlang zum Fenster hinaus über die Wiese nach den jenseitigen Waldbergen, die waren noch dunkler als die Nacht. Zilge war es oft so bang, daß sie fast laut aufschrie, und doch schalt sie sich wieder wegen dieses ungerechten Zagens; sie zwang sich zur Munterkeit. Als aber der erste Schnee fiel, wurde sie plötzlich tief traurig, sie beredete sich, daß

Weitere Kostenlose Bücher