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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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ist eine seltsame aber vielfach bewährte Erfahrung, daß die Kinder verfeindeter Verwandter den Familienzwist in eigenthümlicher Weise aufnehmen und leicht auf die Spielplätze übertragen. Der kleinen zehnjährigen Erdmuthe, die ein derbes braunes Kind mit den dunkeln Augen des Vaters war, hatte man das Haus des Ohms Gottfried strenge verboten, sie durfte es nicht mehr betreten und Niemand aus demselben grüßen, ja sie hörte Tag und Nacht die häßlichsten Worte über den Oheim und wußte nicht anders, als er wolle ihren Vater an den Galgen bringen.
    Eine ältere Magd im Hause, die noch bei der verstorbenen Mutter gedient hatte, Traudle (Gertraude) genannt, suchte ihr zu erklären, was eigentlich vorging; aber das Kind begriff natürlich nur die Feindseligkeit im Allgemeinen und liebte über Alles seinen Vater, der jederzeit so gut und liebreich war, und jetzt war noch dazu, ohne daß Erdmuthe den Zeitpunkt merkte, auch die Mutter mild und sanft gegen sie, sie kleidete sie immer besonders sauber an und hieß sie manchmal: »lieb's Erdele.«
    Wenn Erdmuthe an dem Hause des Oheims vorüberging, schaute sie zur Erde und schüttelte zornig mit dem Kopfe, als wollte sie damit sagen: ich grüße euch doch nicht. Stundenlang saß sie mit ihrem Strickzeug auf der Steinbank vor dem Hause und schaute nur manchmal hinab nach dem Hause des Oheims, und dann stieß sie mit der Faust vor sich hin und verzog das Gesicht zu eigenthümlichem Trotz, und ihr ganzes Wesen sprach: warum seid ihr so bös? Das ganze Haus erschien ihr so stachelig, starr und finster wie die Eisengitter vor den Fenstern, die auch so trotzig auf die Straße schauten. Des Nachbars Claus, ein lahmer Knabe, der an Krücken ging, saß oft bei Erdmuthe und wußte ihr viel zu erzählen, wie tückisch der Bläsi sei, denn so klein der Claus war, gab ihm doch seine Eifersucht auf Bläsi manchen großen Gedanken ein.
    Bläsi ging an Erdmuthe vorüber, als ob sie nicht da wäre. Er hatte ihr einmal heimlich Kirschen geschenkt, sie aber warf sie auf die Straße, daß die Gänse sie aufschnabelten. Bei den Spielen zog sich Bläsi oder Erdmuthe alsbald zurück, wenn Eines sah, daß das Andere unter den Theilnehmenden war. Den Cyprian haßte Bläsi so sehr, daß er einmal wochenlang einen Stein bei sich trug, um ihn dem Cyprian an den Kopf zu werfen, wenn er ihn schlagen wolle.
    So war der Familienzwist bis tief in die Kinder gedrungen.
    Mit den abfallenden Blättern kam auch ein großer Stempelbogen in's Dorf, der das letzte Erkenntniß in dem Rechtsstreite zwischen Cyprian und Gottfried brachte: es lautete zu Gunsten des Letztern. Die Versteigerung wurde nun anberaumt, aber die Hollmaringer sind stolze wohlhäbige Bauern, sie lassen es nicht leicht dazu kommen, daß sich ein Fremder durch Güterankauf bei ihnen ansäßig mache, sie sind froh, wenn einmal ein Acker bei ihnen käuflich wird, um das eigene Gut zu vergrößern oder ein Kind dadurch im Ort zu behalten. Es fehlt daher in Hollmaringen meist an fremden Käufern, und die Helfershelfer, die Cyprian aufgestellt hatte, brachten nur wenig zu Stande; man ließ ihnen einige Güter zuschlagen, vollkommen sicher, daß sie sie bald wieder verkaufen müßten. Das Haus und den größten Theil der Güter erwarb Gottfried unter dem Namen eines Scheinkäufers, und Cyprian war auf's Neue ergrimmt als er dies merkte. Obgleich er die Sitte des Dorfes kannte, und dabei einen erklecklichen Kaufpreis erzielte, glaubte er sich doch übervortheilt und bei dem Weine, der damals noch während der Güterversteigerung getrunken wurde, machte er seinem Groll auf das ganze Dorf und vor Allem auf Gottfried Luft. Man ließ ihn schimpfen wie er wollte, er war nicht mehr ebenbürtig und man verzieh ihm leicht seinen Unmuth darüber. Ein namhafter Theil des Kaufschillings blieb als unantastbare Hypothek zur Sicherung des Muttergutes für Erdmuthe stehen. Um den nicht aus der Fassung zu bringenden Gottfried zu kränken, kündigte Cyprian an, daß er Tags darauf mit dem Hausrath auch einen vollständigen Hochzeitsanzug und zwar den seiner verstorbenen Frau verkaufe. Alles sah auf Gottfried und nur die gedungenen Steigerer Cyprians tranken noch von seinem Weine, alle Anderen gingen still und ohne den üblichen Johannistrunk davon.
    Am andern Tag, bei der Versteigerung des Hausraths, war Gottfried fast das einzige Mannsbild unter den versammelten Frauen, und erst gegen das Ende wurde in der That der Ehrenschmuck der Verstorbenen zum Ausgebot

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