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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Geschichten verbreiteten wohl den Ruhm seines lustigen Witzes, Cyprian war aber noch klug genug, um auch zuerkennen, daß Ehre und Ansehen sich daran verzehren. Noch war es von geringer Bedeutung, was er eingebüßt hatte, denn ein wohlbestelltes Gut vermag Manches auszutragen. Cyprian legte sich oft wochenlang jede Entbehrung auf, arbeitete unablässig und sprach mit Niemand, aber eben diese gewaltsame Zurückhaltung verleitete ihn bei der ersten Veranlassung wieder zu einem Rückfall. Endlich hatte er es herausgebracht, daß nur die Einsamkeit und Abgeschiedenheit des Ortes ihn hinausziehe; hätte er kameradschaftliche Ansprache in der Nähe, wäre er in einem Orte, wo er selber als der Erste gälte und nicht Alles Gottfriedische Unterthanen, und hätte er gar ein eigenes Wirthshaus, so müßte es von selbst kommen, daß er wieder der Alte war, ja noch höher stieg. Darum hatte er die Sonne gekauft und sich beim Weinkauf der unbändigen Trinklust hingegeben, denn er hatte gesagt: »Das soll mein letzter Rausch sein. Es thut doch weh, auf ewig Abschied davon zu nehmen, aber es muß sein; ein Wirth, der allezeit halb duselig 'rumlauft, der ist der Garnichts, einen Schluck für den Durst darf man trinken, aber mehr nicht. Komm her letzter Ueberdurst, allerletzter und allerallerletzter.«
    Am frühen Morgen schaute Gottfried zum Fenster oder vielmehr zum Eisengitter hinaus, denn das Haus Gottfrieds war eines der ältesten im Dorfe, und alle seine Fenster waren mit ausgetieften starken Eisengittern versehen. Man hatte ihm oft gerathen, diesen Ueberrest der alten unsichern Zeit doch abzuthun, er ließ sich aber nicht dazu bewegen, er fand in dieser Vergitterung nicht nur eine Zierde des Hauses, sie war ihm selber auch anständig und man kann fast sagen, sie hatte sich seinem Charakter aufgeprägt, sein Ausblick in die Welt hatte etwas Feindseliges, er war allzeit auf räuberische Anfälle gefaßt und dagegen geschützt, und in dieser Sicherung gegen die feindliche Welt war sein Blick auch ohne das faßbare Gitter stets von einer geistigen Schutzwehr durchschnitten. Es konnte sich nie Jemand rühmen, daß er ihn ganz in der Hand gehabt habe.
    Jetzt sah Gottfried den Cyprian schon hemdärmelig bei der Arbeit, er richtete sein Bernerwägelein her, spielend hob er es mit der Winde in die Höhe, hängte bald dieses bald jenes Rad aus, salbte die Achsen und brachte mit einem leichten Griffe das Rad in Schwung, daß es noch lange sich um und um drehte. Man sah an seinem ganzen rüstigen Gebaren, daß er entschlossen schien, das Leben frisch und von vorn anzufangen. Cyprian war einer der schönsten Männer der Gegend, groß, stark gebaut, vollen runden Antlitzes mit dunkeln Augen voll stillen Feuers, glatter weißer Stirne und braunen von selbst geringelten Haaren. Wenn er lächelte und die weißen Zähne sichtbar wurden, lag eine feine Anmuth in seinem Ausdrucke, wobei er die »Hundsaugen«, wie sie der alte Gottfried genannt hatte, halb verdeckte, was ihm etwas Schelmisches und doch Gutmüthiges gab.
    »Bläsi« (Blasius) rief jetzt der zum Fenster hinausschauende Gottfried seinem kaum der Schule entwachsenen Sohn zu, der im Hofe die Ochsen einjochte, »Bläsi, geh hinauf zum Vetter Cyprian und sag ihm, ich laß ihn fragen, ob er nicht zu mir kommen will.«
    Bläsi band den Riemen fest, ließ das andere Halbjoch leer und ging das Dorf hinaus. Er war ein besonders schlanker Bursch, wie er dahinschritt, und in den schwarzen ledernen Hosen und den hohen Stiefeln sah er zwar etwas steif aber knappenhaft aus. Als er Cyprian die Botschaft ausrichtete, sagte dieser lachend und den Kopf zurückwerfend:
    »Sag' deinem Vater, er hat grad so weit zu mir wie ich zu ihm.«
    Bläsi ballte die Faust und preßte die runden Lippen zusammen, als er das Dorf herab schritt. Er kündigte dem Vater die Antwort und sagte, indem er den zweiten Ochsen einjochte: »Zu dem laß ich mich nicht mehr Boten schicken.«
    Gottfried befahl nun, daß auch ihm das Bernerwägelein hergerichtet werde; er hatte die Angelegenheit mit Cyprian gütlich beilegen wollen, jetzt blieb es beim Rechtswege.
    Noch wirbelte der Staub auf der Straße vom raschen Bernerwägelein Cyprians, als Gottfried hinter ihm drein fuhr. Ein Jeder hatte leeren Platz neben sich, aber unsichtbar saß neben Jedem der zum Feind gewordene Schwager, denn Einer hegte Zornesgedanken gegen den Andern. Gottfried schämte sich, den Zerfall durch die Dörfer kundzugeben, durch die man fuhr; er ließ

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