Schwarzwaelder Dorfgeschichten
will.«
»Und ich auch.«
»Aber Ich nicht.«
Gottfried that die Papiere wieder in den Schrank, ließ den Riegel zweimal in die Schließe fallen und knüpfte das Lederband, daran der Schlüssel befestigt war, wieder in das Westenknopfloch. Erdmuthe saß still da.
»Was möchtest denn mit dem Geld machen?« fragte Gottfried.
»Meinem Vater damit aufhelfen.«
»Daß es der Lump auch noch verfressen und versaufen kann?«
Erdmuthe erhob sich, sie hielt das Halsgeschmeide in der Tasche fest in der Hand, und mit starker Stimme sagte sie:
»Vetter, das leid' ich nicht. Mein Vater ist so gut wie Einer, und Die, wo ihn verschimpfen, die haben's verschuldet, wenn was nicht recht an ihm ist.«
»Ich seh' schon, dein Vater hat dich auch verdorben.«
»Und wenn's so ist und wenn's wahr war', wer ist dran schuld? Mein Vater nicht allein. Ihr, ja Ihr seid daran schuld. Ihr hättet die Feindschaft aufgeben und dafür sorgen müssen, daß Euer Schwester Kind nicht verdorben wird; aber mit dem großen Wagen vorbeifahren, wo der Schwester Kind der Pudel im Haus ist, da hat man sich auch nichts zu berühmen.«
Gottfried stand starr, er sah zum Erstenmal in seinem Leben seine Rechtschaffenheit angegriffen, er konnte eine gewisse innere Stimme nicht verleugnen, welche die Berechtigung dazu anerkannte, aber doch war er dem gram, wer das aussprach. Er war nahe daran, seine Gelassenheit aufzugeben, aber schnell fand er wieder die Fassung und sagte bitter lächelnd: »Das hat dir dein Vater auch eingeblasen.«
»Nein, nein, was ich red' das sind meine Gedanken, die ich tausendmal im Stillen gehabt hab'. Aber ich will Euch keinen Vorwurf machen und machet Ihr mir auch keine. Ich hab' heut Gutes in Eurem Haus gehabt, ich möcht' gern wenn ich fortgeh', in Gutem an meine Verwandten zurückdenken.«
»Wo willst denn hin?«
»Nach Amerika, mit meinem Vater und meinen Geschwistern. Ihr saget, ich hätt' ein schönes Vermögen; ich will nicht im Reichthum leben, wenn mein Vater ein Bettelmann ist –«
»Und noch einmal wird, wenn er das Deinige auch noch verthan hat. Ich seh', man kann gescheit mit dir reden und du hast ein gutes Herz, du verleugnest dein' Mutter selig nicht, die hat mich für brav gehalten, du denkst anders, ich will dir nichts darüber sagen, aber besinn' dich nur, laß dich dünken, es redet ein Anderer zu dir: wie soll denn ein Mann, der mit einem größeren Vermögen in seinen besten Jahren Alles durchgebracht hat und keinen Unglücksfall gehabt hat, er mag sagen was er will, wie soll der jetzt auf Einmal fleißig und haushälterisch werden? Du bist noch in jungen Jahren, du hast das Leben erst vor dir, du darfst dich nicht in's Unglück stürzen für Einen, der schon mit fertig ist. Besinne dich wenigstens noch, ein Jahr oder so lang du willst, du kannst bei mir bleiben oder wo du magst.«
Es war zum Verwundern, mit welcher Festigkeit und raschen Entgegnung Erdmuthe allen Einwänden Stand hielt, und endlich brachte Gottfried das Ehrengewand der Verstorbenen und erklärte mit bebender Stimme, wie Cyprian das verkauft und wie er es erworben habe, um es einst Erdmuthe zu ihrem Ehrentage zu geben, und als Erdmuthe bestritt, daß der Vater den Ehrenschmuck verkauft, stampfte Gottfried auf den Boden ob dieser Starrheit, aber noch einmal faßte er sich und beschwor sie beim Andenken an die Selige, ihm und nicht dem Vater zu Willen zu sein. Und als Erdmuthe noch immer standhaft blieb, veränderten sich plötzlich seine Mienen, mit heiserer Stimme schrie er:
»Gut, so geh', so geh'; aber das schwör' ich dir, du verleugnest mich, ich verleugne dich auch, auf ewig, auf ewig. Du bist todt für mich, begraben und Gras drüber. Geh' –«
Plötzlich brach sich seine Stimme, er konnte nicht weiter reden; die Frau, die mit Bläsi und den beiden Töchtern in der Küche zugehört hatte, kam herbei und klagte, daß das Uebel, das Gottfried schon einmal gehabt, wiedergekehrt sei, aber Gottfried winkte mit der Hand, daß Erdmuthe hinaus solle, und sie verließ das Haus. Niemand grüßte, Niemand geleitete sie. Als ginge sie schon auf schwankendem Schiffe, so schritt Erdmuthe das Dorf hinaus, sie schaute sich nicht um und ging unaufhaltsam, bis sie da wo der Weg auf die Hauptstraße geht, unter dem blühenden Apfelbaum am Wegweiser sich niedersetzte. Sie schaute nicht auf und antwortete nicht dem Gruße der Weiber, die mit Bündeln Unkraut aus den Saatfeldern kamen.
Es blüht ein der Baum wo der Weg sich trennt.
»Das
Weitere Kostenlose Bücher