Schwarzwaelder Dorfgeschichten
ist gut, daß ich dich da noch find',« sagte plötzlich eine Stimme, Erdmuthe schaute auf, es war Bläsi, der vor ihr stand, hochglühenden Antlitzes und mit einem seltsamen Ausdruck in den Mienen.
»Schickt dich dein Vater und hast du mir von ihm was zu sagen?« erwiderte Erdmuthe und wollte aufstehen; es durchschauerte sie aber, als Bläsi jetzt zum Erstenmal sie berührte, indem er sie am Arm faßte und sie sitzen bleiben hieß mit den Worten:
»Bleib' du nur, es schickt mich Niemand, ich komm aus mir allein und hab' aus mir allein mit dir zu reden. Willst du mich ordentlich und geduldig anhören und mich ausreden lassen?«
»Du hast noch kein' Prob', daß ich nicht Alles mit Ruhe anhöre, was man mit Ruhe anhören kann.«
»Magst meinetwegen Recht haben,« sagte Bläsi, sich neben sie setzend, »laß jetzt die alten Sachen vorbei sein, ich hab' Anderes mit dir zu reden. Guck, hundertmal hab' ich mir gewünscht, wenn ich nur auch so ruhig wie jetzt mit dir reden könnt', hundertmal hab' ich gedenkt, unser Herrgott muß barmherzig und übergut sein, daß er uns nicht dafür straft, weil die nächsten Anverwandten so in Feindschaft mit einander leben, hundertmal wenn ich dir begegnet bin, hab' ich dich anhalten wollen, aber du bist immer so trutzig und stolz gewesen –«
»Ich? stolz?« schaltete Erdmuthe mit bitterm Lächeln ein. Bläsi fuhr fort:
»Du bist von Vaters Seite mein' einzige Anverwandte und es hat mir das Herz im Leib herumgedreht, wenn ich dich gesehen hab' und dich nicht hab' anreden dürfen. Und mein Vater auch, er red't nicht viel, aber er ist grundgut, du kennst ihn nicht und dein Vater –«
»Sag' nichts, es ist recht, daß du deinen Vater lobst und ich will dir Alles glauben, aber mein Vater ist auch mein Vater und ich laß nichts auf ihn kommen –«
»Eben das, wie ich das gehört hab', hab' ich noch mehr Respekt vor dir kriegt. Aber das haben wir jetzt nicht auszumachen. Wir sitzen jetzt da bei einander, wie wenn wir Beide keine Eltern hätten und ganz allein auf der Welt wären, so ist mir's, wie's dir ist –«
Bläsi hielt inne und trocknete sich den Schweiß von der Stirn; vor sich niederschauend, fragte Erdmuthe:
»Warum hast mir denn kein gut Wort geben, wie ich in's Dorf kommen bin?«
»Weil ich gemeint hab', du bleibst bei uns und da hätt' sich schon schickliche Zeit gefunden, und ich hab' dir auch nichts im Voraus geben wollen ... Du hast mich dein Leben lang geplagt genug, von damals an wo du mir die Kirschen nachgeworfen hast, ich hab' dir's eintränken wollen –«
Die gekrümmte linke Hand auf Kinn und Unterlippe gedrückt schaute Erdmuthe den Bläsi mit flüchtigem Lächeln an, dann fragte sie:
»Warum bist denn jetzt anders?«
»Weil du jetzt Alles wieder auseinander sprengst, weil du in Feindschaft davon gehen willst. Das ist nicht recht, das ist nicht brav, das ... das leid' ich nicht. Du gehörst zu uns und nicht zu denen in Leutershofen und du sollst uns nicht nachsagen, wir hätten dich verstoßen –«
»Das sag' ich nicht, und es wär' ja auch gelogen.«
»Das mein' ich auch nicht, du verwirrst mir ganz meine Worte, du redest mir so drein, daß ich nimmer weiß wo ich steh' –«
»Gut, ich will ganz still sein, so red' du allein.«
Sich die Hände reibend und eine gewaltsame Bedächtigkeit erraffend begann Bläsi wieder:
»Du sollst dich eben an uns halten, ich will nichts von den Deinigen sagen, so viel siehst aber doch, daß wir ganz andere Leute sind und du solltest dich freuen, daß du so einen Anhang hast. Sag', hab' ich nicht Recht?«
»Freilich, aber wenn mein Vater im Zuchthaus säß', ich möcht' doch bei Niemand in Gnade sein, ich thät dienen und behielt' mein' Ehr für mich.«
»Das ist in Ordnung, den Stolz, den hast du doch nur von unserer Familie, du gehörst doch zu uns, aber du brauchst nicht dienen, im Gegentheil. Wenn man nur wüßt', ob du ... ich hab' dich von Herzen lieb und ich laß dich nimmer davon –« Er umschlang ihren Hals und drückte einen Kuß auf ihre Lippen, aber sie entwand sich ihm.
»Hast du mich denn nicht auch lieb? Warum weinst denn jetzt? Warum weinst?« fragte Bläsi mit bebender Stimme.
»O Bläsi,« begann Erdmuthe endlich, »das ist nicht recht, das ist gefrevelt, wir müssen scheiden, auf ewig scheiden, das darf nicht sein.«
»Was darf nicht sein?«
»Ich hab' mir's nie gestehen wollen und jetzt darf ich's auch nicht, denk du lieber, ich sei schon lang gestorben.«
»Das will ich aber nicht.
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