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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Erregungen der Fall ist, hielten sich Bläsi und Erdmuthe still Hand in Hand. Sie gingen die verödete Landstraße und Bläsi betrat gern die spitzen zerschlagenen Steine und ließ ihrem Fuß das glatte Geleise. Erdmuthe hatte ihm gesagt, daß ihr Vater in Seebronn auf sie warte. Bläsi wollte mitgehen, er wollte ihr Beistand sein, aber sie wehrte ab und Bläsi mußte ihr sogar heilig geloben, sich nicht drein zu mischen und nicht nach Leutershofen zu senden oder zu kommen; sie fürchtete durch die Einmischung der Gottfriedischen von ihrem Vater das Härteste und wollte auch Alles selbst vollenden. Dagegen mußte sie Bläsi versprechen, nicht mehr zu Fuß, sondern in einem Bernerwägelein, wie es sich für sie schickte, nach Hollmaringen zu kommen. Erst vor dem Dorf schieden sie, es war als könnten sie sich nicht trennen und immer auf's Neue sagten sie einander Lebewohl und hielten doch die Hand fest. Es schien als ob Bläsi noch Etwas zu sagen hätte, das er nicht auf die Lippen bringen konnte; er wollte Erdmuthe nicht von sich lassen, diese aber hörte am ersten Hause des Dorfes, welches das Wirthshaus war, die laute Stimme ihres Vaters; sie drängte Bläsi fort und ging hinauf. Bläsi kehrte heim, denn auch er hatte einen Vater zu fürchten.
     
Ein Seelenlicht.
     
    Tag um Tag verging, man hörte nichts von Erdmuthe. Am Abend vor der Hochzeit seiner Schwester, als die ganze Familie sich im Hause Gottfrieds versammelte und jene stille Lust alle Herzen belebte, die auf der Schwelle eines freudigen Ereignisses so still wonnig macht, da war auch Bläsi nicht unter den Versammelten zu sehen, er war allein und gedankenvoll den Weg gegen Seebronn hinausgegangen, er saß unter dem Apfelbaum am Wegweiser, von dem jetzt die Blüthenblätter abfielen und die Straße und den Rain wie zum Einzug einer Freude schmückten. Bläsi ging weiter bis gegen Seebronn, er hielt den Ring in der Hand, mit dem er Erdmuthe schmücken wollte, aber sie kam nicht und doch hatte er sie für heute so sicher erwartet; er wollte weiter und immer weiter wandern bis nach Leutershofen, ein unendliches Verlangen trieb ihn und doch kehrte er wieder um, er wollte die Freude im Elternhause durch sein Ausbleiben nicht stören. Er fand noch Alles, was anverwandt war, versammelt, man labte sich jetzt an der kommenden Freude wie an dem Dufte der frischen Kuchen, der das ganze Haus durchdrang; der Genuß selber gehörte dem morgenden Tage. Bläsi erwiderte kein Wort, als seine Schwester ihm sagte, daß sie ihm zum Letztenmal sein Sonntagsgewand herrichte und wie er sie nun oft vermissen werde, denn sie heirathete einen Holzhändler im Enzthale. Bläsi war seiner ganzen Umgebung entrückt, er musterte die Anwesenden Alle nach einander, nur um auf's Neue zu sehen, daß Erdmuthe nicht unter ihnen war und Niemand sie vermißte als er allein. Als man ihn damit neckte, daß nun das Heirathen an ihn käme und daß er sich umschauen müsse, antwortete er Nichts und mancher strahlende Mädchenblick, der sich auf ihn heftete, wendete sich unerwidert wieder ab.
    Am Morgen, als Wagen an Wagen den Bräutigam und seine Familie, sowie die auswärtigen Anverwandten des eigenen Hauses brachte, ging Bläsi wie verloren hin und her und hatte für Niemand einen rechten Gruß. Er zwang sich beim Tanze zur Lustigkeit, aber man sah, daß es ihm nicht Ernst damit war und doch ahnte Niemand außer der verheiratheten Schwester im Dorf, was mit ihm vorging. Beim Abschiede der Rosel weinte Bläsi am meisten.
    Wenn er im Dorf oder auf dem Felde war und ein Wagen die Straße daherrollte, rannte er ihm aus dem Hause oder vom Acker mit pochendem Herzen entgegen; es konnte nicht anders sein, Erdmuthe mußte kommen, aber immer waren es fremde Menschen, die des Weges kamen und staunend auf den Burschen sahen, der bei ihrem Anblick wieder zurück rannte. Oft und oft nahm sich Bläsi vor, sich um kein Wagengeräusch mehr zu kümmern, aber sobald er wieder ein rasches Rennen hörte, ließ es ihn nicht an der Stelle und nur noch diesmal und diesmal wollte er sich's gestatten, bis er auch endlich davon abließ.
    Da brachte eines Morgens die Landeszeitung, die Gottfried als Schultheiß – oder wie der neue Kanzleistyl heißt, als »Gemeindevorstand« – halten mußte, eine erschreckende Kunde in's Haus, denn eine gerichtliche Anzeige forderte alle Gläubiger Cyprians auf, sich zu melden, da er nach Amerika auswandern wolle, fügte aber sogleich bei, daß Niemand auf Zahlung hoffen dürfe, da

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