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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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schalt Erdmuthe bei der Arbeit ob ihrer Langsamkeit und sagte: »Du sollst Lahmele heißen, nicht Regele.« Er fand sich besser in seine Rolle als Erdmuthe, er hatte es freilich auch leichter.
    Man brachte das Heu rösch und unverregnet unter Dach und als plötzlich zwei Mäher krank wurden, hatte Erdmuthe noch einen besondern Triumph: sie mähte mit Bläsi und dem Knechte in gleicher Linie und blieb nie zurück. Gottfried, der, wie der Schwager voraus gesagt hatte, sich an der entschlossenen Thätigkeit Bläsi's freute, ließ auch einen Theil dieses Gefühls auf die neuen Taglöhnerinnen übergehen und ermahnte Bläsi, nicht zu strenge gegen sie zu sein. Er lachte, da ihm die Mutter sagte, die Tochter Traudle's sei Bläsi nicht gleichgültig, eben weil er so viel mit ihr zanke: er kannte seinen stolzen Sohn viel besser. Die ganze Woche und selbst am Sonntag kam man nicht zu Ruhe und Besinnung, man war immer in Bedrängniß vor dem drohenden Wetter und nur beim Essen im Felde wechselte man einige Worte. Da sagte der Knecht einmal:
    »Das Vieh geht doch in Allem voraus, das kriegt das Erste vom Feld und nachher kommen erst die Menschen mit ihrem Futter dran.«
    »Das gehört sich auch,« sagte Erdmuthe, »wenn man zuerst für Andere gesorgt hat, dann kommt man erst an sich selber und die Kühe und Ochsen fressen das Heu für uns, wir kriegen's nachher als Milch und Butter und Fleisch.«
    »Und die Gäul?« sagte Bläsi.
    »Die sind unsere Arme, die müssen für uns Pflug und Wagen ziehen.«
    »Dein Maul braucht keinen Wetzstein,« lachte der Knecht und Bläsi nickte still zu Erdmuthe.
    Am zweiten Sonntag sprach Gottfried das erste Wort mit Erdmuthe:
    »Mädle, ich hab' heut dein Stimm' in der Kirche aus Allen herausgehört, du hast was besonderes, ich weiß nicht was.« Erdmuthe sah ihn groß an, hatte sie die Stimme ihrer Mutter und hatte diese den Bruder so angesprochen? Wie gern hätte sie alle Vermummung abgelegt, aber sie durfte nicht, und immer mußte sie denken, daß dieser Mann Trauer um sie wie um eine Todte angelegt; sie hatte schon einmal durch die Erregung seiner Heftigkeit ihn an den Rand des Grabes gebracht, sie durfte Nichts mehr wagen.
    Am Abend in der Dämmerung ging Erdmuthe mit Traudle durch das Dorf, diese kannte Jedermann und hatte überall eine Ansprache, und Erdmuthe stand dabei so verlassen und es schnitt ihr durch die Seele, wenn sie hören mußte, daß sie die Tochter Traudle's sei. Verläugnete sie ihre Mutter? Sie kam sich beständig wie eine Diebin vor und gab nur wenig Antwort, und die Spielplätze ihrer Kindheit betrachtete sie mit verstohlenem Blick. Bläsi hatte ihr doch Schweres auferlegt, aber sie vertraute ihm und wollte ausharren. An ihrem elterlichen Hause stand sie lange bei der Schwester Bläsi's und konnte sich kaum enthalten, sie nicht als Base zu begrüßen. War denn diese ganze Mummerei nicht unnöthig und grausam? Aber Bläsi sollte sehen, daß sie ihm unbedingt gehorchte. Die jungen Burschen und Mädchen zogen singend durch das Dorf, die Schwester Bläsi's verkündete mit Jubel, daß dieser seit Jahren zum Erstenmal wieder unter ihnen war. Erdmuthe seufzte still, und immer wieder kam die unlösliche Frage, warum gerade ihr allein ein so schweres Loos beschieden war. Der Dorfschütz klingelte und verkündete, daß am morgenden Tage die Ernte beginne und ein Jeder vor Allem Wege schneiden müsse, damit der Nachbar seine Frucht ohne Schaden des Andern heimbringen könne.
    Das Dorf schlief bald, denn mit der Morgensonne mußte Alles wach sein.
    »Man sollte eigentlich gar keinen Menschen lieb haben,« sagte Erdmuthe beim Schlafengehen zu Traudle, »wenn man so sieht, wie sie weiter leben, wenn man fort ist, und gar nicht mehr an Einen denken, als wär' man nicht da gewesen.«
    »Das kannst von deinem Bläsi nicht sagen.«
    »Nein, gottlob nicht, aber sprich nicht so laut. Gut Nacht.«
    Erdmuthe war die Erste im Hause und schlich unhörbar wie ein Geist umher, Alles ordnend und zurechtlegend, und hier zum Erstenmal, seit sie in das Haus gekommen war, überraschte sie Bläsi beim Brunnen, als sie Wasser holte. Sie klagte ihm leise, wie schwer ihr die Verläugnung ihres Namens und Lebens werde; aber Bläsi getröstete sie, daß das der einzige Weg sei, seinen Vater zu gewinnen, der sie auf ewig aus seinem Herzen verstoßen; wenn auch alles sich wieder ausgleichen ließe, so werde er doch nur durch das äußerste Mittel ihr verzeihen, daß sie ihr Muttergut verschleudert habe.

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