Schwarzwaldau
würden sie im bequemen Reisewagen besser nachholen, wie hier in den dicken Federbetten, die er hasse – (was die Wirthin, wie sie durchaus zu Protocolle geben will, eines rechten Raubmörders würdig findet.) – und sie möge sie ungestört lassen bis Mitternacht, wo die neuen Vorspannpferde hoffentlich bestellt wären? Da war ihr denn nichts weiter übrig geblieben, als sich zu trösten und unten in Küche und Haus ihrem Aerger Luft zu gönnen, darüber, daß solche übermüthige reiche Herren lieber bei nachtschlafender Zeit umherfahren, als in ihren weichen Federbetten, wohlerzogenen Christenmenschen gleich, gehörig dünsten möchten. Sie und die Leute hatten sich in die ihrigen gelegt, um schlafend die Mitternachtsstunde und mit dieser zu erwarten, daß der pünctlich bestellte Vorspann sie erwecken werde.
So weit lautete, was die Wirthin zu sagen gewußt, ganz begreiflich und konnte, wenn auch für eine merkwürdig-seltsame, doch immer noch natürliche und einleitende Vorbereitung zu der blutigen Katastrophe, um die es sich handelte, betrachtet werden. Der Rechtsgelehrte sah schon im Geiste die endlose Correspondenz eröffnet, die er amtlich nach Dresden und da und dorthin führen werde, um Personen wie Orte zu ermitteln, durch welche das Auffinden verdächtiger Spuren möglich würde. Er nahm einen zweiten Anlauf und fragte weiter. – Alsbald riß dann der Faden ab und die Geschichte lösete sich in Zauberspuck auf. Da lesen wir:
»Schlag zwölf Uhr ist der Vorspann aus Neuland da gewesen. Der Hausknecht war bereits munter, hat den in den Schuppen gezogenen Reisewagen, auf den schon vorher des jüngeren Reisenden Gepäck von der Dresdner Lohnkutsche umgeladen worden, herausgeschoben; die Pferde sind vorgelegt worden; die Wirthin hat sich den Schlaf aus den Augen gewischt und die Rechnung selbst hinaufgetragen; sie hat leise geklopft. Niemand hat ›Herein!‹ gerufen. Sie ist eingetreten: beide Herren haben, Jeder in einer Ecke des Canapee's gesessen, und – geschnarcht. Nur nach wiederholter Anrede sind sie erwacht. Der Jüngere, in denselben Mantel, mit schottisch-carrirtem Unterfutter verhüllt, der bei seiner Ankunft neben ihm auf dem Wagensitze gelegen und den der Hausknecht sammt dem fast leeren Reisesack herausgetragen, hat sich zuerst erhoben und das Zimmer verlassen, während der Andere sitzen blieb, die Rechnung bezahlend und ihm nachrufend: ›Suche Dir die beste Ecke im Wagen aus, Verschlafener!‹ Der Wirthin ist, indem sie das Geld einstrich, aufgefallen, daß der Reisesack, den der Jüngere jetzt, beim Hinabgehen, mitnahm, ungleich dicker und gefüllter aussah als früher, wo der Hausknecht ihn heraufbrachte; eben so will sie beschwören, sie hätte sich eingebildet, der junge Herr sei kleiner geworden; doch habe sie sich das durch den großen Mantel erklärt, der um ihn geschlagen gewesen. Dann ist ihr Gast mit ihr hinabgegangen, und hat sich zu seinem schon wieder schlafenden Freunde in den Wagen gesetzt. Hausknecht und Magd sind beschenkt worden. Der Neuländer Bauer hat seine Peitsche geschwungen, der freigebige Herr hat sein, vom Lichte der Laternen beleuchtetes Gesicht noch einmal zum Lebewohl heraus geneigt, . . . und weg waren sie.
Am nächsten Tage hat der Vorspann-Bauer, im Zurückreiten, eingesprochen, einen Schnaps genommen und sich vielmals bedankt, für den ihm zugewiesenen Verdienst. Die Herren, die er auf die Station vor's Posthaus führen mußte, haben ihn ›fürstlich‹ bezahlt; haben laut darüber gelacht, daß da d'rin – (es war zwischen zwei und drei Uhr,) – Alles still sei, daß sie die Postillons erst würden herausklopfen müssen und was dergleichen Späße mehr waren; sind dabei kreuzfidel geblieben, ohne sich zu ärgern und haben ihn geheißen ›retour‹ reiten und sie sammt der Karre nur stehen zu lassen. Da hat er ihnen denn ›viel Plaisir und glückliche Reise nach London‹ gewünscht, wohin zu reisen sie vorgegeben. Die Wirthin hat der Magd bei Zusammenräumen des Geschirres geholfen, das Zimmer gehörig sprengen und fegen, einen Fensterflügel aufstehen lassen; die Betten, da sie ungebraucht und kurz vorher weiß überzogen waren, hat niemand weiter untersucht; – weßhalb auch? – und seitdem ist das Stübchen erst wieder betreten worden, da die Herrschaft, – drüben, – ankam, wo denn zwei Betten hinüber geschoben wurden, das dritte unglückselige für's Fräulein stehen blieb.
Der Hausknecht hat noch folgende selbstständige
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