Schwarzwaldau
körperliches Uebelbefinden klagend, die Abendtafel früher als gewöhnlich verließ und der Secretair, sichtbar verlegen durch den raschen Aufbruch, ihm unwillig folgte; und daß dann der Kopenhagner Advocat seine spitzige Bemerkung wagte, die entschiedene Mißbilligung erregte, weil sämmtliche Anwesende den Rabulisten nicht leiden mochten. Weßhalb denn auch nicht sonderlich weiter darauf geachtet wurde.
Anders gestalteten sich die Dinge zwischen Emil und Franz, da sie auf ihrem Zimmer allein waren.
»Wenn ich nur erst das Schiffsverdeck unter meinen Fußsohlen spürte,« rief Letzterer aus; »wenn ich nur erst Sie nicht mehr sehen dürfte! Sie sind doch der erbärmlichste Schwächling, den es auf Erden giebt. Wechselt Farbe, wie ein Schuljunge, den der Lehrer auf der That ertappt, wie er Kirschen aus der Tasche zieht und heimlich nascht. Was zum Teufel geht Sie das Verdict über einen Liqueurhändler an, der sich seines brutalen Quälers durch ein scharfes Bandmesser entlediget haben soll? Muß ich noch lange an Ihrer Seite bleiben, steh' ich für nichts! Schämen Sie Sich, Emil! Wer gerechte Rache an einem Meineidigen zu üben, den Dolch in ein treuloses Herz stieß, der darf nach geschehener That nicht feig verzagen. Sie haben nicht zu fürchten, wo Sie Sich nicht durch Ihr albernes Benehmen selbst verdächtigen. Meine Anstalten waren zu gut getroffen.«
»Du redest immer nur von mir! Sagst immer: Sie haben zu fürchten, haben nicht zu fürchten und so fort, – als ob ich allein stände? Wem gehört denn die That, die That, die wir gemeinsam verübten? Dir, oder mir? Wer bahnte die Wege, reizte mich auf, leitete mich, schaffte alle Mittel herbei? Wer hielt den aus lallendem Rausche Halberwachenden mit eisernen Krallen danieder und lehrte mich, teuflisch lachend, die richtige Stelle der entblößten Brust zu treffen? Wer – ich darf's nicht denken, – verstümmelte die schönen, edlen Züge des mir einst so theuren Angesichtes mit kaltem Hohn? Wer, endlich, hat das Sündengeld, dem Ermordeten – nein, seiner ärmsten Mutter – geraubt, und will es nicht hergeben?«
»Daß ich ein Narr wäre! Faseln Sie nicht so tugendhaft und scheinheilig, Emil; es verschlägt nicht bei mir. Sie wünschen mich los zu sein, ich sehne mich weg von Ihnen, – darin treffen unsere Wünsche zusammen. Aber Sie sind schlecht bei Casse und sollte endlich einmal der Geldbrief eintreffen, den wir in dieser langweiligen Kneipe erwarten, so wird er auch nicht große Summen enthalten. Schwarzwaldau wird schlecht bewirthschaftet; es geht auf die Neige mit Ihnen. Müßt' ich nicht ein Esel sein, wollt' ich die paar Tausend Thaler, die das lüsterne mannstolle Carolinchen ihrem reichen Vater für den Langersehnten, spät in ihre Schlingen Gegangenen ablockte, und die bei unserer künstlich-angelegten Expedition, (bei welcher ich doch wahrlich keine leichte Rolle zu geben hatte) mir als schwererworbenes Arbeitslohn zufielen, der alten Frau nach Thalwiese schicken? Für die mag der Schwachkopf sorgen, der Thalwiese nun besitzen und sich mit diesem Besitz den Adel erkaufen wird. Er hat Geld im Ueberfluß. Ich brauche das Wenige, was ich in Gustav's Taschen fand, um als freier Bürger der neuen Welt Urwälder niederzubrennen, Blockhäuser zu errichten. Das Einzige, was ich thun kann für Ihren geliebten, von Ihnen ermordeten Freund, ist etwa, daß ich meine künftige Besitzung ihm zu Ehren ›Thalwiese‹ nenne. Dank bin ich ihm allerdings schuldig, dafür, daß er sich in seiner, von Mann und Weib gepriesenen Schönheit herabgelassen, mir ein Bißchen ähnlich sehen zu wollen. Denn ohne diese Aehnlichkeit war die Anlage meines ganzen Planes nicht möglich und die Täuschung der dummen Wirthin von Neuland unausführbar. Es bleibt also dabei: mein Landgut jenseit des Meeres heißt: Thalwiese, und sobald ich ein zweites habe, nenn' ich es Neuland.«
»Ich weiß nicht, soll' ich Dich mit Abscheu betrachten, oder mit Bewunderung? Du weilst gleichsam behaglich bei der Erinnerung an Greuel, die ich zu vergessen strebe! Ist das Kraft, oder ist es . . .?«
»Sprechen Sie's nur aus: ist es Verworfenheit? wollten Sie sagen. Meinethalben nennen Sie's wie Sie wollen; meinethalben denken Sie von mir was Sie wollen; ich thue desgleichen, was Sie betrifft. Also:
sans gêne!
wie der gebildete Deutsche zu äußern beliebt. Sobald ich unterweges sein werde, mögen Sie meinethalben sich auch bloß stellen wie Sie wollen, sich durch Roth- und
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