Schwarzwaldau
Sterne begannen zu funkeln, da ich das Fenster schloß?«
Sie erhob sich, hinaus zu schauen. – Kein Wölkchen sichtbar; die schönste Nacht!
»Aber ich höre deutlich Tropfen fallen?«
Sie lauscht und in kurzen Zwischenräumen dringt das eintönige Geräusch, wie von der Dachtraufe plätschernd in ihr Ohr.
Sie öffnet das Fenster . . . sie horcht empor . . . keine Regung über ihr, neben ihr. Sie wendet sich in's Zimmer zurück. Die reine Nachtluft, die sie eingesaugt, hat sie empfindlicher gemacht gegen den unerträglichen Geruch im versperrten Raume.
»Wie konnt' ich hier aushalten?« – Und sie will wieder freie Luft schöpfen, da vernimmt sie, noch entschiedener als vorher, das tropfende Rieseln. Nein, sie täuscht sich nicht: hinter ihr ist's, im Zimmer, beim Bett, welches hochaufgethürmt, mit einer blauen Kattundecke belegt, unberührt blieb, weil die Magd ihr die Versicherung gegeben, daß es in vergangener Woche frisch überzogen worden und daß seitdem kein Mensch darin gelegen habe. Sie hatte sich vorgesetzt ohnedieß im Nachtkleide zu bleiben und, – ohne Aussicht auf Schlaf, – nur oben auf liegend zu ruhen.
Jetzt ergreift sie einen Leuchter und neigt sich dem Boden zu, die blaue Decke aufhebend. Sie erblickt, beim Scheine der Kerze eine große Blutlache. Schreck und Grausen übermannen sie. Wie sie geht und steht, stürzt sie zur Thür, schließt auf, eilt bis an die Treppe, schreit nach Hilfe, sinkt fast zusammen, rafft sich wieder auf, wankt vor die Stube, wo die Eltern schlafen, pocht diese wach, fleht um Einlaß, rennt wieder nach der Treppe, ruft: »Mord, Feuer, Blut« hinab. Unterdessen hat sich ihre Mutter ermuntert, tritt heraus, will die Ursach' dieses Angstgeschreies vernehmen, und Caroline stürzt ihr fast ohnmächtig an die Brust, keines anderen Ausrufes fähig, als: »Blut, Blut!«
Im Hause wird es lebendig; Wirth, Wirthin, Gesinde haben den ersten tiefen Schlaf kaum abgeschüttelt und stolpern mit verdummten Gesichtern herauf, zu sehen, wo es brennt?
Auf die wiederholten Fragen, die Wirth und Wirthin bringend an sie stellen, richtet sich Caroline empor und deutet nach der offnen Thüre ihres Gemaches. Doch auch jetzt vermag sie nur zu stammeln, was sie schon so oft wiederholte: »Blut!«
Die Leute begeben sich hinein. Etliche Minuten starren Schweigens vergehen, während welcher die Eltern, – denn Vater Reichenborn hat sich auch eingestellt, – ihre vor Grauen und Frost zitternde Tochter haltend, eine fürchterliche Entdeckung erwarten.
»Hast Du Dich auch nicht getäuscht?« will die Mutter eben fragen, da erdröhnt der Flur von wildem Geheul und die Wirthin kreischt ihren Gästen entgegen: »Gott sei uns gnädig und barmherzig, drinn' schwimmt Einer in seinem Blute; in unserem Hause ist ein Mord geschehen!«
»Fort! Nur fort!« ruft Reichenborn. »Wo ist unser Kutscher? Der Hausknecht soll in den Stall laufen und ihn wecken; er muß anspannen! Lieber die Nacht auf der Straße zubringen, als hier bleiben!«
Doch der Wirth, der nun aus dem Zimmer kommt, wendet dagegen ein: »Das geht nicht, Herr! Ich bin Gerichtsmann in Neuland und weiß, was sich gehört. Dem Schulzen muß ich Meldung schicken, daß er sogleich mit den Gerichten an Ort und Stelle sich einfindet, den Befund aufzunehmen; nach dem Herrn Justiz in's Städtchen muß ein Bote reiten; nach dem Kreisphysicus gleichfalls. Ehe nicht gesetzlich verfahren ist, darf niemand sich entfernen, der zur Zeit der Entdeckung im Hause war. Sie verlassen ihre Stube nicht mehr, und die Mamsell bleibt bei Ihnen. Hier heißt es: mitgefangen, mitgehangen!«
»Dafür ist mir nicht bange,« entgegnete Reichenborn, der schon die ruhige Haltung des Geschäftsmannes wiedergewonnen; »vor dem Hängen fürcht' ich mich gerade nicht, so wenig wie vor den Gerichten; einzig und allein vor der Verzögerung. Ihr müßt wissen, ich bin auf der Fahrt nach meinem – unserem Landgute, mein Schwiegersohn und dessen Mutter warten auf uns . . . na, was hilft's? Thut was Eures Amtes ist, doch eilt, wenn ich bitten darf. Wir fügen uns in's Unvermeidliche.«
Sie begaben sich mit Carolinen in ihr Zimmer und nicht eine Stunde war vergangen, so hörten sie den Hufschlag des Pferdes, auf welchem ein Bauer aus Neuland die unerhörte Nachricht von einer Mordthat an die vorgesetzten Behörden zu befördern eilte.
Nach und nach brachten sie die Tochter zu sich. Sie erholte sich von ihrem Entsetzen, hörte auf vom Blute zu reden, fand in Thränen
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