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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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lullte und sang er sein großes Kind, seine gewaltige Tyrannin mit süßen Weisen erlogener Liebe ein, indem er gelobte, morgenden Tages mit ihr gemeinschaftlich zu berathen, was ihrerseits geschehen könnte, die vergeblich auf Rache harrenden Manen Gustav's zu versöhnen. Sie entschlief in seinen Armen, mit schlaftrunkenen Sinnen und lallender Zunge ihn ›Gustav‹ anredend, wo sie ›Emil‹ sagen wollte; den Ermordeten mit dem Mörder verwechselnd. Emil schauderte zusammen, doch er hielt sich und zeigte nichts von Entsetzen. Er führte seine schwere Aufgabe durch, bis die letzten Küsse auf des ermatteten Weibes Lippen hinstarben ohne Erwiderung; bis sie leblos lag. Dann stellte er auch allerlei Versuche an, ob es auch schon der ›echte, rechte Reichenborn'sche Familienschlaf‹ sei, der sie überkommen? Einer nach dem andern fiel befriedigend aus. Zuletzt begann sie zu schnarchen.
    »Der ganze Vater!« murmelte Emil, wendete ihr den Rücken, kleidete sich wieder an und eilte, wohin finstere Vermuthungen ihn zogen, in die Finsterniß hinaus, die sich aber, als er nur einige Schritte in ihr gethan, für ihn sogleich in eine, von Myriaden leuchtender Sterne erhellte Dämmerung umwandelte; so daß er jeden dürren Grashalm, jede abgeblühte Blume unterscheiden konnte.
    »Zu Agnesens Grabe!« flüsterten die im Nachtwind sausenden Zweige der hohen Bäume; »Gustav's Geist, oder – den Andern? Du findest diesen wie Jenen bei ihrem Grabe, wenn Einer von Beiden auf Dich wartet!«
    Die Bäume hatten gut flüstern, säuseln und geisterhafte Klänge lispeln. Emil wußte, wer seiner wartete; es konnte nur Franz Sara sein. Doch als unter den Thränenweiden am See nun wirklich die von Carolinen beschriebene Gestalt sich bewegte und mit dem heiseren Ausrufe: »bald hätt' ich die Geduld verloren!« einige Schritte vorwärts that, da stockte Emil's Blutlauf und seine Haare sträubten sich auf dem Kopfe, denn er wähnte, den Ermordeten vor sich zu haben. Doch Franz ließ ihn nicht in Zweifel, wer er sei:
    »Nicht wahr, jetzt gleiche ich ihm entschiedener als sonst? Ich habe mir Bart und Haupthaar gefärbt, bin geschniegelt und gelockt wie er, trage mein Halstuch nach seinem Muster und befleißige mich seines Ganges! Es freut mich, daß Sie mich erkennen, werther College. Aber für Sie ist die Täuschung nicht berechnet. Sie gilt lediglich dem dummen Volke hier und in Thalwiese; denn ich habe verschiedene Gründe, mir die Leute möglichst weit vom Leibe zu halten und das wird niemandem leichter, als dem Gespenst eines Verstorbenen; besonders wenn mit dessen Tode so allerlei kleine, pikante Nebenumstände verbunden waren, wie bei dem charmanten Herrn, auf dessen Namen ich umzugehen und zu spuken trachte. Nun, willkommen im deutschen Vaterlande, Emil! da Sie mir diesen freundlichen Gruß nicht bringen, so muß ich ihn zuerst aussprechen; es ist aber unhöflich von Ihnen.«
    »Ich glaubte Dich in Amerika?« – weiter brachte Emil nichts heraus.
    »Ich glaubte mich selbst schon dort! Ich dachte schon, wie Sie wissen, an meine Farmen, Blockhäuser und Heerden; dachte schon an die Namen, die ich meinen Besitzungen verleihen wollte; dachte und dachte. Doch wie der Berliner so richtig und tiefsinnig sagt: › Dachte sind keine Lichte!‹ es ist ein großes Wort. Mein Licht ist mir ausgegangen und zwar in London. Ich machte daselbst nähere Bekanntschaft mit einem Ehepaare, dem ich bei der Ueberfahrt begegnet war. Es wollte auch in die neue Welt. Der Mann war schon einmal drüben gewesen, kannte die Gelegenheit, hatte sich ein junges Weib in Deutschland geholt und schlug mir vor, in Compagnie mit ihm zu treten. Er nahm meine Gelder in Verwahrung, traf die Vorbereitungen zur Reise, besorgte die nöthigen Einkäufe und ich hatte unterdessen die Obhut über seine schöne Hälfte. Es war eben ein Compagniegeschäft; – wie dergleichen öfter vorkommt; Sie wissen – Nur mit dem Unterschiede, daß er sich heimlich einschiffte, mein Capital mitnahm und seine Frau mir überließ. Das ging, so lange es dauerte. Und als es nicht mehr gehen wollte, ging ich , und hier bin ich. Sehr erfreut, Sie frisch und munter zu finden. Doch ich bemerke mit Leidwesen, daß Ihre Freude über meine glückliche Ankunft größer sein könnte. Sie ließen mich lange hier auf sich warten und ich hatte doch schon vor Sonnenuntergang alle möglichen Zeichen und zuvorkommende Winke nach Ihrem Arbeitszimmer hinauf gegeben, wo ich Sie am Fenster sah?«
    »Diese Winke

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