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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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Schwarzwaldau Besitz nehmen. Sie wird doch eine Chatoulle mitgebracht haben? So eine aus altgebräuntem schweren Mahagonyholze gebaut, mit blanken Messingbeschlägen, künstlich versteckten Schlössern, nebst dazu gehörigem Schlüssel mit einem Barte, welcher den schönsten Hieroglyphen ähnelt. Wo diese Cassette steht, werden Sie wissen. Wo der Schlüssel liegt, werden Sie auskundschaften. Wie Sie dazu gelangen, wird Ihnen Ihr Talent sagen. Ist der baare Vorrath nicht genügend, so nehmen Sie zu Hilfe, was von Schmuck vorhanden. Richten Sie's geschickt genug her, an Schlössern und Schüben, daß Diebstahl durch Einbruch und Dietriche vermuthet werde. Morgen Nacht um diese Zeit bin ich wieder hier. Daß Sie nicht ausbleiben, dafür bürgt mein Briefchen
in spe
. Jetzt will ich mich aufmachen, mein Versteck zu erreichen: der Tag ziemt sich nicht für Gespenster. Sie, mein süßer Neuvermählter, eilen Sie dem beglückenden Lager unserer Freundin Caroline zu!«
    Emil blieb allein. Er lauschte ein Weilchen auf den im Gebüsche verhallenden Tritt seines ehemaligen Dieners. Dann warf er sich bei Agnesens Grabstein auf den Rasen und blieb liegen, wie ein Sterbender. Der furchtbare Zwang, den er sich um ruhig zu scheinen, anthun müssen, ließ jetzt auf einmal nach. Das volle Gefühl seiner Schande und Verworfenheit überkam ihn. Noch einmal bemächtigte sich seines Herzens eine dumpfe, trostlose Reue. Doch sie gelangte nicht zur rechten Herrschaft über ihn. Nach und nach gewannen böse, selbstsüchtige Regungen wieder die Oberhand und er fing an zu sinnen, wie er sich aus des Nichtswürdigen Krallen losmachen könne? Erst der frostige Hauch des heranbrechenden Morgens trieb ihn vom bereiften Grabe.
    Carolinen fand er noch schlafend und er hütete sich wohl, sie zu erwecken.

Einunddreißigstes Capitel.
    Es ist schon unerträglich genug, einen halben Tag in Unschlüssigkeit hinzubringen, ob man zum Beispiel ausgehen und sich herumtreiben? oder ob man zu Hause bleiben und irgend eine fleißige Beschäftigung vornehmen soll? Finge der Regen, der da so ungewiß am Himmel hängt und eben auch zu keinem Entschluße gelangt, soll er sich verziehen, oder nicht; finge er nur in Strömen zu gießen an! Es wäre ja gut; die Entscheidung wäre da: man machte sich's bequem, griffe zum Buche, oder zur Feder und gäbe jegliches Gelüsten nach Zerstreuung auf. Aber so lange noch immer Möglichkeit vorhanden, daß schönes Wetter eintrete, geht man nicht und bleibt man nicht und steht wie ein rechter Esel zwischen zwei Heubündeln, ohne von einem zu fressen.
    Das ist ein flaches, alltägliches Gleichniß, dessen Wahrheit nichts destoweniger ein Jeder in vorkommenden Fällen an sich selbst erprobt und seine Unschlüssigkeit verwünscht haben wird.
    Und was ist sie, wie wenig bedeutet sie, wie gering sind die eingebildeten Leiden, die sie schafft, wo es sich nur um Spazierengehen und Zuhausebleihen handelt? Wo kein Kampf des Guten mit dem Bösen, oder was noch schlimmer ist, kein Kampf böser Geister statt findet, die untereinander feindselig sind und das Herz eines Menschen zum Tummelplatz ihrer Streitigkeiten ausersehen haben. O der Wahnsinnige! Er überläßt ihnen die eigene Brust als Schlachtfeld und sollte doch wissen, daß der Sieger, – siege nun Jener oder Dieser, – gegen ihn verfahren wird, wie in Feindes Land.
    Emil war nur eines Vorsatzes sicher: Carolinen diesen ganzen Tag hindurch in günstiger Stimmung zu erhalten, sie zu zerstreuen, sich ihr auf jede Weise angenehm zu machen, auch nicht die leiseste Klage gegen sich aufkommen zu lassen, sie durch Aufopferungen und Zuvorkommenheiten gleichsam zu ermüden, damit sie in guter Laune entschlafe und er dann Herr seiner Nacht sei!
    Was er in dieser Nacht unternehmen werde, darüber war er noch nicht einig mit sich selbst. Und weil ihm keine Zeit blieb, in unbelauschter Einsamkeit furchtbare Entschlüsse abzuwägen, deren mögliche Folgen durchzudenken, zwischen niedrigem Diebstahl und tückischem Morde zu wählen, so sah er sich gezwungen, diese fürchterliche Prüfung in seiner Seele vorgehen zu lassen, während er scheinbar nur für Diejenige lebte, welche neben ihm Frohsinn und Heiterkeit entfaltete. Es gelang ihm vollkommen, die Täuschung durchzuführen.
    Und gehört es nicht unter die schrecklichsten Geheimnisse der menschlichen Natur, daß auch der moralische Schwächling bei Verbrechen oftmals eine Kraft entwickelt, die ihn gerettet haben würde, wenn er sie auf edle

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