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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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zurück; ich habe ihn ohnedieß sehr stark im Verdacht, das selbige nur den Tag Deiner Ankunft feiert. Sonst besinnt er sich lange, bis er mir Pferd' und Wagen anbietet.«
    »Als ob Du jemals danach verlangtest?« erwiderte er, beinahe verlegen über solchen Vorwurf vor einer Dritten.
    Und sie bestiegen den offenen, bequemen Stuhlwagen, den ein kräftiges Viergespann spielend durch Hain und Flur zog, als ob sie flögen.
    Die an und für sich angenehme Empfindung, rasch einher zu rollen, wo wechselnde Naturbilder das Auge fesseln, wird noch gesteigert, wenn wir kaum erst einem Gefährt entstiegen sind, dessen Schneckengang uns quälte und ermüdete. Diese Steigerung machte sich bei Carolinen geltend. Sie kannte keine raschere Beförderung durch Pferde, als jene, die sie mit ihren Eltern zu theilen gewohnt gewesen; wo es der furchtsamen Mutter nie langsam genug gehen, wo der Vater nie fest und ruhig genug schlafen konnte. Die heutige Lustfahrt regte sie heftig auf. Die Kühle des Abends wehte ihr zauberisch entgegen und durchdrang sie mit einer Ahnung von Freiheit und Selbstständigkeit, die im Hause ihrer Eltern und deren Umgebung niemals bei ihr lebendig werden wollte. Sie sprach es mit mädchenhaftem, kindischem Wunsche aus: »Das ist prächtig! so möchte ich durch die weite Welt fahren!«
    »An wessen Seite?« fragte Emil.
    »Darüber, wahrlich, hab' ich nicht nachgedacht; wüßte auch nicht, wen ich an meiner Seite wünschen möchte, außer Agnes? Für den Augenblick ist es nur die Freude am raschen Fahren mit schönen Pferden in gründuftiger Abendkühle, die mich beglückt; die mir etwas Neues ist; um deren täglichen Genuß ich euch beneiden werde, wenn ich erst wieder mein bürgerliches Stübchen in Rumburg bewohne!«
    »Und dennoch,« antwortete Emil, »werden Sie vielleicht beneidet, und mit Recht, um die stille Zufriedenheit, die in jenem Stübchen weilt und welche Andere weder mit feurigen Pferden erjagen, noch in hohen, prächtigen Sälen finden?«
    Agnes that, wie wenn sie dem Gespräch nicht folgte; sie machte sich mit ihrem Umschlagetuch zu schaffen, dessen Zipfel von einem Rade gestreift wurde.
    Caroline war mit der Ueberzeugung, sie werde eine unglückliche Ehe finden, in Schwarzwaldau eingetroffen; wir wissen schon, daß sie in Agnesens Gatten einen mürrischen, ungefälligen, plumpen, nur auf öconomischen Ertrag gerichteten Landjunker zu sehen fürchtete! Sie kam in der heimlichen Erwartung wider solchen ›Wehrwolf‹ mit ihrer Freundin ein Bündniß einzugehen; die Allzuduldsame vielleicht ein Bißchen aufzuhetzen? –
    Statt dessen findet sie einen zuvorkommenden, nachgiebigen, eleganten Mann, mit feinsten Formen, dessen ganze Erscheinung zwar keinen Glücklichen verkündet, – aber noch weniger, was man einen Haustyrannen nennt? Im Gegentheil: er sieht aus, als ob er unter dem Drucke innerer, tiefgefühlter Lasten seufze? Agnes dagegen, wenn auch nicht freigebig mit Versicherungen häuslicher Glückseligkeit, die sonst jüngere Frauen ihren unverheiratheten Freundinnen gern in vollstem Maße ertheilen, zeigte nichts von unterjochtem Märtyrerthum; verdrehte weder klagend ihre Augen, noch gab sie durch Seufzer zu verstehen: ich habe Dir fürchterliche Dinge zu enthüllen; laß uns nur erst wieder allein sein! Sie bewahrte den heiteren Ernst, die milde Ruhe, wodurch schon das zehnjährige Kind sich vor seinen Gespielinnen ausgezeichnet.
    Caroline wurde irre in ihren Voraussetzungen. Neugierde begann mit der Lust am Spazierenfahren zu streiten und behielt fast die Oberhand. Schon versank die Erwartungsvolle in schweigendes Nachsinnen über ein ihr unerklärliches Verhältniß. Doch Emil, der seine unüberlegte Aeußerung sichtlich bereute, ließ ihr keine Frist zu stummen Grübeleien und mit der geistigen Gewandtheit, welche ihm zu Gebote stand, erweckte er alsobald das hinschlummernde Dreigespräch. In des Mannes Redeweise lag ein eigener Zauber, dem sich so leicht kein Ohr verschloß; der sogar Agnesen bewegte, ihre Stimme dazwischen tönen zu lassen. Sie beendeten in wieder auflebendem Austausche oberflächlich-geistreicher, mit pikanten Bemerkungen durchwobenen Fragen und Antworten – was man auf Deutsch : ›interessante Conversation‹ benennt, – ihre Abendfahrt und langten von kühler Luft erfrischt, munter genug im Schlosse an. Kaum saßen sie am Theetisch, so bezeigte Caroline durch unverkennbare Zeichen des Erstaunens, die bis zur Unruhe übergingen, daß irgend etwas sie

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