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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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aus. – Agnes bewegte nur noch, wie unwillkürlich, die Lippen, doch äußerte sie nichts mehr. Auch Emil schwieg; das Gespräch stockte. Erst als die Wanduhr Zehne schlug, murmelte er: »
vulnerant omnes.
«
    Bald nachher wünschten sie sich: gute Nacht.

Sechstes Capitel.
    Wir dürfen es nicht wagen, den beiden Freundinnen nach Agnesens Schlafgemach zu folgen, welches, deren eigenen Wünschen zu Folge, ein abgesondertes war und woran die Zimmer stießen, die sie Carolinen eingeräumt. Wir dürfen die vertraulichen Ergießungen zweier weiblicher Herzen nicht belauschen; dürfen uns nicht in die zarten Geständnisse drängen, die von Mund zu Munde, von Seele zu Seele fließen. Vielleicht finden wir später Gelegenheit, im Laufe der vor uns sich entfaltenden Handlung, Rückblicke zu thun und Bezug zu nehmen auf diese ersten, ungestörten Stunden des Wiedersehens, dessen zwei in schwärmerischer Mädchenfreundschaft aufgewachsene weibliche Wesen froh wurden; – in sofern man auch derjenigen Geständnisse und Mittheilungen froh werden kann , die von Klage und Wehmuth nicht frei sind, – wenn sie nur überhaupt den Busen erleichtern.
    Begleiten wir dagegen Emil, den der Jäger Franz bereits erwartet, um ihn wie gewöhnlich zu entkleiden und dabei das im Walde abgebrochene Gespräch wieder anzuknüpfen, so entgeht uns nicht, wie wenig Neigung Herr von Schwarzwaldau verräth, solchen Erwartungen zu entsprechen. Auf die Frage, was ihn denn veranlaßte, den Diener heute Abend aus dem Vorzimmer herein an den Tisch zu rufen und der fremden Dame zur Ansicht zu stellen, wie ein seltsames Thier; da niemand besser, als der gnädige Herr wissen mußte, daß derjenige, welcher mit ihm an den entgegengesetzten Grenzmarken saß, unmöglich beim Waldsee schlafen konnte? – Auf diese Frage giebt er gar keine Antwort; er scheint den Fragenden kaum gehört, wenigstens der Worte Sinn nicht begriffen zu haben; er entgegnet später: »Weißt Du, Franz, daß es vielleicht besser gewesen wäre, Du hättest mir den Dolch nicht entwunden?«
    »Was ist Ihnen denn wieder durch den Sinn gefahren, Herr? Heute Früh wußten Sie mir es Dank!«
    »Gewiß! Noch vor einer Stunde! – Seitdem . . . . .«
    »Hat die fremde Dame irgend einen Einfluß auf Ihre Gemüthsstimmung? Hat sie vielleicht etwas geäußert, was Sie darnieder schlägt?«
    » Sie nicht . . .«
    »Also – Agnes?«
    Emil schreckte zusammen. Der vertrauliche Ton, den sein Jäger sich erlaubte, indem er von der Gemalin des Herrn sprach, mahnte diesen an die Gefahren, welche für alle Theile nothwendig später oder früher hervorgehen mußten aus den seltsamen und abnormen Geständnissen eines Livreedieners. Was sich im Walde romantisch-poetisch ausgenommen und den Erzähler, trotz aller an ihm haftenden Flecken, mit der Gloriole der Märtyrer unserer modernen gesellschaftlichen Zustände geschmückt hatte, das stellte sich Abends im Schlosse ganz anders dar: dort , in freier Luft, unter grünen Bäumen, hatte Emil, neben Franz auf dem Erdboden sitzend, mehr als Theilnahme, er hatte wohlwollende Neigung für den unglücklichen, in tiefes Elend versunkenen Sohn einer edlen Familie, hatte freundschaftliche Regungen für den jungen Menschen empfunden, der aus der Nacht seines Daseins nach einem hohen, reinen Sterne zu blicken, der Agnes liebend anzubeten und ihm dieß zu gestehen wagte! Hier , im engen Raume, zwischen kostbaren Schränken, Gemälden, Büchern, Armsesseln und silbernen Leuchtern, wo der Miethling Franz dem Herrn von Schwarzwaldau die Stiefeln auszog und ihm den Schlafrock darreichte, – hier gewann das Verhältniß alsobald ein neues Ansehen. Und das unüberlegte Wort: »Also Agnes? « würde zum Ausbruch heftigen Zornes von Seiten Emil's, ja vielleicht zu einem sehr ernsten Auftritte geführt haben, wäre Derjenige, dessen Stolz dadurch verletzt war, nicht eben in jene weichliche, melancholische Niedergeschlagenheit verfallen, die Agnesens letzte Worte wieder hervorgerufen. Er begnügte sich mit einem: »Genug davon! ich bin müde!«
    Franz fügte sich und ließ ihn allein. Doch brummte er beim Hinausgehen etwas ›von Wetterhähnen, die ihre Richtung mit jedem Lüftchen wechseln!‹ was dem feinen Gehör des Zurückbleibenden, gleich allen Leuten seines Schlages Argwöhnischen, nicht entfiel. Kaum befand er sich ohne Zeugen, so warf er sich, wie von einem langen schweren Kampfe abgemattet hin und ergab sich widerstandlos allen in ihm streitenden Empfindungen: »Ich

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