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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Holtei
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Werden dem Laien nicht Werke dargeboten, die ihn durch verneinenden Inhalt ärmer machen, ohne ihn durch Das zu bereichern, was den gelehrten Verfasser, den Forscher, den Entdecker beglückte, eben weil er es fand und im Finden Entschädigung erhielt für manche Verluste an beglückendem Glauben, an kindlich frommer Zuversicht? Haben wir nicht Alle, Jeder im Paradiesgärtlein eigener Kindlichkeit, schon frühzeitig vom Baume der Erkenntniß Früchte gebrochen? Ach, und wie manche unreife? Wie manche wurmstichige! Wer nicht kräftig organisirt ist, gut zu verdauen, – darf ein solcher sich wundern, wenn er sich übel fühlt? Und daß Emil nicht zu den Starken gehörte, haben wir genugsam und zum Ueberfluße angedeutet.
    So lassen wir ihn denn einem, durch zahllose Widersprüche gestörten Schlummer und werfen, ehe wir dieß Capitel und mit demselben gewissermaßen den Prolog unserer Geschichte schließen, noch einen flüchtigen Blick in das sogenannte ›Jägerzimmer,‹ wo unter Emil's Vater drei bis vier grüne Burschen ihr wildes Wesen trieben; wo jetzt Franz Sara ganz allein hauset; abgeschieden und entfernt von allen übrigen Schloßbewohnern; nur durch einen Glockendraht in Verbindung mit des Gebieters Wohn- und Schlafgemach, zu welchem eine steinerne Wendeltreppe hinabführt. Dieses Jägerzimmer wird mit Unrecht Zimmer genannt; es ähnelt mehr einem Saale; einem öden, unwohnlichen, winklichen Saale, der nicht entstanden ist, weil des Schlosses Erbauer ihn dort haben wollten, sondern der gleichsam aus räumlichen Ueberbleibseln besteht, die man für gesonderte, kleinere Stuben einzurichten und zu benützen, dort oben im dritten Stockwerk nicht mehr der Mühe werth gefunden. Er liegt in der Ecke, wo zwei Flügel sich kreuzen, zwischen einer alten Rüst- und Waffenkammer auf der einen, zwischen einem weiten breiten Gefilde auf der andern Seite, welches Letztere an seinen Wänden hangend, eine Anzahl Schwarzwaldau'scher Familien-Portraits väterlicher und mütterlicher Seite, hinter deren vergüldeten Rahmen jedoch eine noch unzähligere Menge von Fledermäusen beherbergt, die durch einige, seit einem halben Jahrhundert zerbrochene und ungeflickte Glasscheiben in den oberen Fensterflügeln freien Aus- und Einzug haben. Schon diese Nachbarschaft ist wenig geeignet, den einsamen Bewohner des Jägerzimmers anzulächeln. Noch weniger trägt die innere Einrichtung zu vergnüglichem Aufenthalte bei. Drei leere Bettstellen erinnern zum Nachtheile der Gegenwart daran, daß in vergangener Zeit hier ein geselliges Zusammenleben gewaltet, und machen die jetzige Einsamkeit nur noch einsamer. Ein Schrank, ein Tisch, vier Stühle stehen dicht um Franzens Lager, welches er so nahe wie möglich beim alten Ofen aufgeschlagen. Die grünen Kacheln dieses Colosses tragen auf ihrer Oberfläche kleine menschliche Figürchen, wie die Töpfermeister vorigen Jahrhundertes selbige zu formen liebten. Solch' ein Anblick gewährt doch einige Abwechslung in der wüstenhaften Leere. Aus ihnen besteht aber auch des Jägers einzige Gesellschaft. Von den andern Dienern, sämmtlich älter als er, besucht ihn keiner. Er hat nichts dafür gethan, ihren Umgang aufzusuchen; hat sich vielmehr, seit dem ersten Tage seines Eintrittes in den Dienst, fern von ihnen gehalten und abgesondert. Von den Männern ist ihm nicht Einer wohlgeneigt, bis zum letzten Stallknecht hinab. Das weiß, das empfindet er. Und die zärtlichen Absichten der Mädchen hat er selbst vereitelt, indem er sie keines Blickes würdigte. Sogar Agnesens Kammerjungfer nicht; wiewohl diese häufig ihren Spiegel befragt, ob sie eine solche Nichtbeachtung verdiene? und jedesmal die Versicherung empfängt: es sei geradezu unerklärlich. Denn sie war wirklich hübsch. Und eben diese mied er am Vorsichtigsten, – worüber wir uns weniger verwundern, als sie.
    Da sitzt er nun, – nicht wie sein Herr, umgeben von jeglicher Anmuth, die Wohlstand und Bequemlichkeit bieten; aber auch nicht wehmüthig erschlafft in ohnmächtiger Selbstbetrachtung. Er zürnt, – er trotzt, – er begehrt. Auch seine Gefühle und Leidenschaften haben seit gestern einen zwiefachen Umschwung erlitten. Aus dem Ueberdruße am Leben hat ihn Emil's überraschendes Benehmen im Walde auf die abenteuerlichsten Vorstellungen von vertraulicher Freundschaft mit dem Gebieter gebracht, daß er sich gar bis zu der Möglichkeit verstieg, Agnesen näher zu treten, als einem Diener geziemt. Und in diese Aufwallungen ungezügelter

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