Schwarzwaldstrand
für dich find?«, fragte die Ehefrau und wollte schon in den Wohnwagen eilen. Hilde war in dieser Hinsicht bestens ausgestattet, nutzte sogar Kräuter aus dem eigenen Garten zu medizinischen Zwecken, stellte Salben und Tinkturen her.
»Hasch du mein Essen am End nit vertrage?«, versuchte sie es mit einer vagen Diagnose. Ihr Mann schüttelte den Kopf und verzog erneut das Gesicht. »Vielleicht än Virus? Oder gar was Schlimmeres? Ha nei, du bisch einfach überarbeitet. Immer de Stress, du kannsch einfach nit abschalte. Soll ich dir än Kräutertee mache?«
»Nei, ich glaub, ich geh am beschte zum Arzt«, beeilte sich Winterhalter zu sagen.
Hilde war ehrlich besorgt. Ihren Mann hatte es schwer erwischt. Und das ausgerechnet im Urlaub. Wenn er es nicht mal mit ihrer Hausmedizin probieren wollte, dann sollte das bei Karl-Heinz â der im Gegensatz zu seinem Kollegen Thomsen keinen Hang zu Krankheiten hatte â schon etwas heiÃen. Karli war ein doch sonst ein kerngesunder Naturbursche.
Dementsprechend musste er für die Szene auch sein ganzes schauspielerisches Talent aufbieten. Es fiel ihm nicht leicht, derart zu simulieren.
Aber es ging nicht anders. Winterhalter hatte vor, den Arzt genauer zu befragen, der die Leichenschau am Strand vorgenommen hatte. Da der Doktor, wie er vom Bademeister erfahren hatte, Bertolucci hieà und einige Orte weiter in Treporti wohnte, musste er eine gute Ausrede finden, um dort hinzufahren. Denn nach dem Telefonat mit dem Gerichtsmediziner hatte Winterhalter den Kredit bei seiner Ehefrau vorläufig verspielt. Hilde sollte möglichst nichts davon mitbekommen, dass der Kommissar in dem Fall weiter ermittelte.
Doch leichter gesagt, als getan.
»Also, fahret mir am beschte gleich«, verkündete Hilde und griff sich den Autoschlüssel.
»Wieso mir? Es bin doch nur ich krank«, entgegnete Winterhalter.
»Du glaubsch doch nit im Ernst, ich dät dich in dem Zustand allein Auto fahre lasse, Karli«, sagte Frau Winterhalter streng. »Wenn du schon solche Schmerze hasch, dann isch es ernst. Ich weiÃ, dass du sonscht än zähe Kerle bisch.«
Karl-Heinz ärgerte sich nun, dass er es mit seiner Schauspieleinlage wohl doch etwas übertrieben hatte. Seinen Plan, noch einen Ãbersetzer für die Befragung des Arztes ausfindig zu machen, konnte er gleich wieder begraben. Sein Ãbersetzer hieà jetzt Langenscheidt und war ein deutsch-italienisches Wörterbuch.
Schwungvoll steuerte Hilde Winterhalter den Wagen über die zweite Brücke, die einen der vielen idyllischen Kanäle querte. Diese Kanäle durchzogen nicht nur Venedig in der Mitte der Lagune, sondern auch die sie umgebenden Inseln und Halbinseln.
Kurz darauf waren sie in dem malerischen Ãrtchen Treporti, das aus nicht mehr als ein paar bunten Häuschen, einem Marktplatz mit einer stattlichen Kirche, einem monumentalen Friedhof sowie einem kleinen Jachthafen mit Anlegestelle für die Personenschiffe bestand.
Es war kurz vor Mittag, die Sonne war wieder in Höchstform und hatte die Temperatur im Schatten auf fünfundreiÃig Grad getrieben. Winterhalter war erleichtert, dass sie gerade noch rechtzeitig vor der Mittagspause eintrafen. Diese dauerte, wie in Italien üblich, bis sechzehn Uhr. Der Kommissar schmunzelte darüber leise in sich hinein. In Deutschland dachte man da üblicherweise schon an den wohlverdienten Feierabend â¦
Es schien eine gut laufende Praxis zu sein. Sie machte einen fast schon noblen Eindruck. Das Geschäft â gerade das mit den Touristen â lohnte sich wohl. Im Wartezimmer saÃen sowohl Urlauber als auch Einheimische.
»Gehtâs noch, Karli?«, fragte Hilde immer wieder besorgt. Fast hätte Winterhalter vergessen, dass noch einige schauspielerische Leistungen erforderlich waren. Kein leichtes Unterfangen, zumal sie nun eine geschlagene Dreiviertelstunde auf die Behandlung warteten.
Als Winterhalter endlich von der Sprechstundenhilfe ins Behandlungszimmer gerufen wurde, stand Hilde wie selbstverständlich mit auf.
»Du bleibsch do.« Karl-Heinz erschrak selbst ein wenig über seinen Kommandoton.
»Aber wieso denn, Karli?« Hilde war so überrascht, dass sie sich sofort wieder hinsetzte.
»Die Italiener, die sind prüde. Die Ãrzte möget des nit, wenn bei Männeruntersuchungen Frauen mit dabei sind«, erfand Winterhalter.
Hilde war
Weitere Kostenlose Bücher