Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)
sagt er:
»Ich weiß nicht, ob ich das hinkriege.«
»Was?«
»Die Distanznummer. Das willst du doch.«
Ich nicke.
»Das kriegst du hin«, sage ich und ziehe meine Stiefel an.
»Ich bin dir verfallen«, sagt er und lächelt. »Seit dem ersten Tag bin ich dir verfallen.«
Er räkelt sich in seinem Bett, in seinem klaren, kantigen Bett vor der weiß verputzten Wand. Alles in seiner Wohnung ist von großer Klarheit, alles ist in eindeutigem Weiß und Braun gehalten. Da ist nichts Schwammiges, Verworrenes. Das ist eine sehr kluge und sehr erwachsene Wohnung.
Unter der Bettdecke kommt ein schlankes dunkles Bein zum Vorschein. Es ist weniger behaart, als ich erwartet hätte.
»Du bist mir nicht verfallen«, sage ich. »Niemand ist irgendwem verfallen. Das ist Blödsinn.«
»Das werden wir ja sehen«, sagt er.
»Drohung oder Versprechen?«
»Versprechen«, sagt er.
Ich hab’s in meine Stiefel geschafft. Ich setze mich zu ihm aufs Bett und fahre ihm noch einmal kurz durch die Haare, auch wenn ich das gar nicht vorhatte.
»Pass auf dich auf«, sage ich.
»Pass du mal auf dich auf«, sagt er.
Und da weiß ich, dass ich in nächster Zeit lieber nicht im Präsidium auftauchen sollte. Die Sache ist eindeutig zu heiß geworden.
Ich schließe die Wohnungstür hinter mir, gehe durchs Treppenhaus runter auf die Straße und kucke erst mal, wo ich eigentlich bin.
Rothestraße. Aha. Altona.
*
Alles in dieser Klinik ist so hell und freundlich, dass man schreien möchte. Carla tut so, als wäre nichts, aber ich merke, dass es ihr schlechtgeht. Ihre Hand ist feucht und kalt, und sie zittert ganz leicht. Wir sitzen in dem schlichten, weiß möblierten Wartezimmer, auf dem Regal neben uns steht ein Strauß weißer Blumen, aus unsichtbaren Lautsprechern blubbert leise Musik. Ich halte unauffällig Carlas Hand, es kommt mir fast so vor, als wären wir auf einer Beerdigung, und irgendwie sind wir das ja auch. Sie hat bestimmt Angst, ich an ihrer Stelle hätte Angst. Sie wippt ein bisschen mit den Füßen.
Eine helle, freundliche Frau kommt rein und holt Carla ab. Ich würde gerne noch mitkommen, darf aber nicht. Die Frau sagt, ich könne ruhig rausgehen, sie rufen mich an, wenn Carla wach wird, es wird nicht lange dauern.
Ich gebe Carla einen Kuss auf die Stirn, sie versucht zu lächeln.
Als ich draußen vor der Tür stehe, huste ich erst mal, soviel ich kann, dann kaufe ich mir im Kiosk nebenan ein Wasser und einen Kaffee und rufe den Calabretta an.
Der hört sich nicht viel besser an, als ich mich fühle.
»Sie hören sich schlimm an«, sage ich.
»Sie hören sich auch nicht gerade an wie der Frühling«, sagt er.
Ich räuspere mich.
»Wir reden nicht darüber, okay?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagt er.
»Sehr gut«, sage ich.
Er räuspert sich, und danach klingt er einen Tick weniger durch den Wolf gedreht.
»Wo sind Sie, Chef?«
»Ich hab mir heute Vormittag freigenommen. Muss Carla was helfen«, sage ich. »Und Sie? Büro?«
»Mhm, und zwar allein. Von den anderen Vögeln ist bisher noch keiner hier aufgetaucht.«
Wundert mich nicht.
»Und gibt’s was Neues?«
»Ich hab heute Morgen den Herrn Senatsdirektor angerufen und ihn zum Gespräch ins Präsidium gebeten«, sagt er.
»Sie haben ihn vorgeladen?«
»Zum Gespräch gebeten …«, sagt der Calabretta, und dabei klingt er wie Marlon Brando als Vito Corleone.
»Und, was sagt er dazu?«, frage ich.
»Dass das eine unglaubliche Unverschämtheit ist, eine lächerliche Anfrage. Ich soll ihm erst mal konkrete Anhaltspunkte für so eine Unterredung liefern, außerdem hat er natürlich überhaupt keine Zeit und viel zu viel zu tun, um sich auch noch mit der Polizei rumzuärgern. Das übliche Obrigkeitsgepolter halt. Juckt mich nicht besonders.«
»Soll ich ihn offiziell als Zeugen vorladen?«
»Nö, lassen Sie mal, Chef. Wir wissen ja im Prinzip schon, dass er Dreck am Schuh hat. Das reicht fürs Erste. Übrigens hat die KTU vorhin endgültig bestätigt, was wir eh schon vermutet hatten. Die Hautpartikel unter Walt Tuckers Fingernägeln gehörten mal Caltzo und Rubsch.«
»Na also«, sage ich, »die kommen uns nicht mehr aus.«
»Ich werde gleich mal zur Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis fahren und mich eine Runde mit den beiden beschäftigen«, sagt der Calabretta. »Muss nur meine Birne noch ein bisschen auf Kurs kriegen.«
»Die werden die Aussage verweigern, oder?«
»Darauf können Sie wetten«, sagt er. »Die gehen sicher
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