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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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über die Stirn. Sie war klatschnass.
    Die Kinder begannen zu weinen, klammerten sich an Renate. In die Menge kam Bewegung.
    Verflucht, ich muss da rauf, pochte es in Ehrlinspiels fiebrigem Kopf. Das Chaos kriege ich nicht mit Worten in den Griff. Die Dorfbewohner! Sie mussten sich hier doch auskennen. »Frau Sommer, wo ist der Aufgang nach oben?«
    Renate reagierte nicht. Er richtete die Frage laut an die Menge.
    »Lassen Sie das!«, rief Hermann Sommer augenblicklich. »Wenn nur einer heraufkommt, stirbt Sina.«
    »Vor den Augen Ihrer Kinder? Sollen die etwa mit ansehen, wie ihr Vater einen Menschen tötet? Dann werden sie für den Rest ihres Lebens traumatisiert sein. Sie werden die Bilder dieser Nacht auf ewig mit sich herumschleppen, mit Alpträumen leben, ihren Vater hassen. Wollen Sie das?«
    Die plötzliche Stille schien Ehrlinspiel wie die Ankündigung einer Katastrophe. Niemand regte sich, und das vereinzelte Zischen der tropfenden Fackeln machte die Anspannung fast unerträglich.
    »Wollen Sie das?«, setzte der Hauptkommissar nach.
    Hermann rührte sich nicht. Wo blieb bloß die Verstärkung?
    »Wissen Sie, wie das ist, Bilder nicht loszuwerden?«, versuchte Ehrlinspiel, emotional zu Hermann durchzudringen. »Johannes hätte es Ihnen erzählen können. Wenn Sie ihn nicht sterbend liegen gelassen hätten.«
    Wütendes Raunen schwappte über die Ebene. »Hermann?«, krähte jemand unterdrückt, und ein anderer schrie: »Komm runter, du feige Sau!«
    Ehrlinspiel drehte sich um, hob die Arme wie ein Lotse, um die Menge zum Schweigen zu bringen. Doch das Murmeln ging weiter. »Wir wissen«, rief er hinauf, »dass Sie Johannes Beyer getötet haben.«
    »Nichts wissen Sie!«
    »Nein«, schluchzte Renate. Sie kauerte noch immer neben Evers im Schnee, weigerte sich aufzustehen. Evers hatte den Arm um sie gelegt.
    »Wir haben Johannes’ Handyverbindungen überprüft. Er hat Sie angerufen und um ein Treffen gebeten. Sie haben eingewilligt, sich mit ihm verabredet – und ihn im Wald erschlagen.«
    Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, verstummten die Dorfbewohner. Für eine kleine Ewigkeit waren nur das Wasser und der Sturm in den Bäumen zu hören.
    »Ich wollte das nicht!« Unsicherheit mischte sich in Hermanns Stimme. Eine der beiden Fackeln auf dem Plateau flackerte auf und erlosch.
    »Ja, eine Kurzschlusshandlung«, bestätigte Ehrlinspiel und signalisierte Hermann damit, dass er Bescheid wusste – und ihn verstand. Dann würde der seine Qual eher loswerden wollen. »Er hat Sie provoziert, da haben Sie zur nächstbesten Waffe gegriffen und zugeschlagen. Doch danach … wären Ihnen viele Stunden geblieben, ihn zu retten. Er war nicht tot, als Sie ihn verlassen haben.« Ehrlinspiel legte eine Kunstpause ein. »Einen ganzen Tag hat es gedauert, bis er erlöst wurde. Gestorben an Unterkühlung, unter qualvollen Schmerzen und mit Halluzinationen.«
    Wie genau sollte er Johannes’ Sterben preisgeben? Sein Blick ging zu den Kindern. Dann zu Sina. Er musste Sina retten. Die Kurzfassung musste genügen, um an Hermanns Gewissen zu appellieren.
    »Johannes’ Körper und Seele waren ein einziger Schrei in der Kälte. Er glaubte, Bilder zu sehen, während er da draußen zitterte und sich nicht mehr in das Dorf retten konnte. Furchtbare Bilder. Von Ihnen waren garantiert auch welche dabei. Wie Sie vor ihm stehen, Sie, sein Freund, dem er vertraut hat. Wie Ihre Hand mit dem Stein auf ihn niederfährt. Die Sekunden, in denen er begreift. Die Vorstellung hat ihn verfolgt bis in den langsamen Tod.« Ehrlinspiel baute auf Hermanns Schrecken. Und auf ein bisschen Freiheit in der Schilderung. »Johannes hat Sie verflucht. Aber er war vom Bild seines Mörders nach zwölf Stunden erlöst. Anna und Tobi würden Sie auf ewig als Mörder sehen, wenn Sie Sina jetzt töten. Und Sie für immer verdammen.«
    Ein Ruck ging durch Hermann Sommer, und Sina stöhnte auf. Ehrlinspiel ahnte, dass Hermann das Messer an ihren Hals gesetzt hatte.
    »Wollen Sie Tobi und Anna das wirklich antun?«, schrie er.
    »Lassen Sie meine Kinder da raus. Schicken Sie sie weg!«
    »Zuerst werfen Sie das Messer herunter. Als Zeichen der Kooperation! Dann lassen Sie Sina ein paar Meter zurückgehen.«
    »Halten Sie mich für blöd? Sie knallen mich doch ab, sobald ich sie gehen lasse.«
    »Junge, bitte, haben schon so viel verloren.« Joseph konnte nicht mehr stehen, zwei Raben stützten ihn. »Lass Sina. Kann nichts dafür.«
    »Ihr Vater hat recht«,

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