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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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würde zu einer lebenden Fackel werden. Oder er würde sie aufschlitzen.
    Sie presste sich auf den Boden. »Was willst du von mir?«, krächzte sie.
    »Ich mag dich, Sina.« Er klang überraschend ehrlich, doch auch bedrohlich.
    »Dann sage mir, was mit Felix passiert ist, und lass uns dann zu den anderen gehen.« Der Zorn wich nackter Angst – und lange verlorenem Überlebenswillen.
    »Steh auf!«, herrschte er sie an.
    Wenn sie sich kooperativ zeigte, Verständnis heuchelte …? »Ist gut. Wir müssen ja rechtzeitig zum Rabenmann kommen.«
    »Rabenmann«, lachte er auf und setzte sarkastisch hinterher: »Was das Volk alles glaubt!« Dann riss er sie hoch, ohne das Messer loszulassen. Seine Augen funkelten direkt vor ihr, nur die Schnäbel schafften einen kleinen Abstand. »Ich zeige dir, wer Felix geholt hat. Versprochen ist versprochen.« Brutal boxte er sie zwischen die Schulterblätter. »Und dann werde ich es zu Ende bringen. Tut mir leid um dich. Aber du weißt zu viel.«

[home]
37
    H anna hätte sich am liebsten heulend in den Schnee gesetzt.
    Der Wind trieb ihr die Flocken in die Augen, und vorsichtig tastete sie sich durch die Finsternis, in der Hand ein Feuerzeug. Kurz aufflammen lassen, ausmachen. Das Gas würde nicht mehr lange reichen.
    Natürlich hatte sie am Nachmittag die Halbschuhe angezogen, um ihre geschundenen Füße zu schonen. Die mit den glatten Sohlen. Sie hatte ja nur eine kurze Runde drehen und nach den Rosen suchen wollen. Rucksack, Karte, Taschenlampe: All das lag in der
Heugabel
. Dass Schneefall einsetzen, sie die Orientierung verlieren und von der Dunkelheit überrascht werden könnte – nicht einen Gedanken hatte sie daran verschwendet. Wie blöd sie nur gewesen war!
    Sie wischte sich Schnee von der Stirn und zog die Mütze, die ständig verrutschte, tief ins Gesicht. Den Schal hatte sie über Nase und Mund geschlungen. Anfangs hatte das geholfen, doch inzwischen war die Kälte in jede ihrer Poren gekrochen. Nur unter den Armen schwitzte sie. War das Angst? Müdigkeit? Das Wissen darum, dass sie hier draußen allein durch die Wildnis irrte, wie ein Tier, das Rudel und Fährte verloren hat? Mit zitternden Händen durchwühlte sie zum tausendsten Mal ihre Jackentaschen. Wo steckte bloß ihr verdammtes Handy? Eine Träne löste sich aus ihren Augen.
    Der Weg stieg an, und ihre Oberschenkel zogen schmerzhaft. Sie versuchte, sich an die Wege rund um die Schlucht zu erinnern. Ihr Orientierungssinn glich dem eines blinden Alzheimerpatienten, doch war sie sicher, einen großen Kreis um das Plateau gegangen zu sein und sich jetzt in dessen Nähe zu befinden.
    Geh einfach immer weiter, redete sie sich selbst zu, dann kannst du nicht erfrieren. Irgendwann wird es wieder hell werden.
    Sie ließ das Feuerzeug aufleuchten. Schwarze Baumsilhouetten, Schneeflocken, sonst nichts.
    In den Bäumen knackte es. Sie fuhr zusammen und rutschte vom Weg ab, fing sich jedoch wieder. Ein Reh, sagte sie sich und versuchte, die Bilder der toten Elisabeth und die des alten Joseph an dem Moosbett zu verscheuchen. Dämliche Idiotin, die sie war! Was hatte sie auch zum dritten Mal mutterseelenallein in diesen Scheißwald aufbrechen müssen!
Ruhig, hier ist kein Mensch.
    Erneut knackten Äste in ihrer Nähe.
    Wie versteinert blieb sie stehen. Das war kein Tier! Ihre Knie wurden weich. In den Bäumen brach sich singend der Wind.
    Knack.
    Wie von Sinnen lief sie weiter, hörte ihr eigenes Keuchen, rutschte, stürzte, stand auf und stieß einen kleinen Schrei aus, als ein Zweig ihr Gesicht streifte. Schließlich fiel sie über einen Stein, blieb schnaufend auf dem Boden liegen. Sie meinte, ihr Herz trommle das gesamte Universum zusammen. Doch nichts regte sich.
    Hanna blieb liegen, lauschte. Stille. Ihr Puls wurde langsamer.
Beruhige dich!
Tief atmete sie ein und aus. Bis sie es wieder hörte. Rascheln. Knacken. Nur wenige Meter entfernt.
    Das konnte kein Zufall sein. Jemand folgte ihr.
Ganz ruhig. Lautlos wegkriechen. Dann rennen.
Sie kauerte sich in den Schnee, umklammerte das Feuerzeug wie eine Waffe und sagte sich gleichzeitig, wie idiotisch das war. Was konnte sie damit schon ausrichten?
    Meter für Meter robbte sie vorwärts, lauschte dabei angestrengt in die Dunkelheit. Nur der Wind. Langsam, um nicht zu fallen, stand sie auf, wagte aber nicht, das Feuerzeug anzumachen.
    Dann sah sie es. Licht. In der Ferne.
    Gott sei Dank!
    Sie ging auf das Licht zu, hätte am liebsten laut gejubelt, so glücklich war

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