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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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sagte Ehrlinspiel. »Lassen Sie Sina los, und wir reden über alles. Das wird später zu Ihren Gunsten angerechnet.«
    »Zu meinen Gunsten?«, kam es zynisch herab. »Zu meinen Gunsten wurde noch nie etwas angerechnet.«
    »Warum haben Sie Johannes getötet?« Ehrlinspiel musste sich anstrengen, um mit dem entzündeten Hals klar und laut zu sprechen.
    »Er wollte mein Leben zerstören. Unser aller Leben. Den Frieden im Dorf.«
    Ein Munkeln zog sich durch die kostümierten Menschen.
    »Ich musste ihn töten!«, rief Hermann in die Menge, als wie aus dem Nichts Hanna Brock am Rand des Halbkreises auftauchte. »Er hat alle getötet!«, schrie sie. »Felix und Elisabeth und ihr Kind.«
    Der Wind trug ein gurgelndes Geräusch vom Felsen hinunter. Sina.
    Brock kam auf Ehrlinspiel zu. Ihre Kleidung war zerrissen und dreckig, ihr Haar aufgelöst, und sie schnappte nach Luft. Ehrlinspiel verspürte einen Stich, doch um darüber nachzudenken, blieb keine Zeit.
    »Ich habe alles gehört. Er hat Sina von Felix erzählt und –«
    »Es war ein Unfall!«, gellte Hermanns Schrei durch die Nacht, während Hanna Ehrlinspiel am Ärmel packte und ihm einige Worte zuraunte. Ungläubig starrte Ehrlinspiel sie an.
    »Ein Unglück«, drang es durch den Wald, »weil ihr, ihr Verdammten, uns Kindern eingebleut habt, hier Buße tun zu müssen. Vor diesem verfluchten Rabenmann.« Hermann lachte plötzlich schallend. »Rabenmann, komm schon, zeig dich. Hole mich, den Sünder, na los, ich bin ein Mörder!«
    Die Menschen riefen durcheinander, leise, dann immer lauter.
    Hanna Brock zitterte neben Ehrlinspiel am ganzen Leib. »Er dreht durch. Bitte, tun Sie doch was. Sie müssen Sina helfen.« In ihren Augen glänzten Tränen.
    »Hier oben war es, wo ich stehe«, fuhr Hermann Sommer fort.
    »Ich komme da nicht rauf«, flüsterte Ehrlinspiel angespannt.
    »Der Aufgang ist hinten.«
    »Was? Woher …« Dann begriff er. Doch wenn er hier wegginge, würde Hermann sofort Gefahr wittern und Sina den Felsen hinabstürzen oder sie erstechen. Fieberhaft überlegte er.
    »Wir waren gut.« Hermanns Stimme verfing sich gespenstisch zwischen den Felsen. »Wir haben getan, was ihr Alten uns gelehrt habt. Sünden abgelegt. Jahr für Jahr. Und wir haben zusammengehalten. Elisabeth, Johannes, Bruno und ich. Und Sina.« Er lachte wieder auf.
    »Wenn Sie nicht gehen, gehe ich«, sagte Hanna entschlossen zu Ehrlinspiel.
    Er packte sie am Handgelenk. »Den Teufel werden Sie tun.«
    »Wir wollten Sina und Felix vor ihrem Unglück schützen«, schallte es über die Menge. »
Ihr
hattet sie abgestempelt.
Ihr
habt sie zur Sünderin gemacht mit eurem Gerede. Dabei war sie doch noch ein Kind! Sechzehn Jahre alt und völlig kraftlos nach der Geburt. Sie konnte doch mit dem neugeborenen Felix nicht zur Prozession. Wie hattet ihr euch das nur gedacht,
wie?
«
    Das war Ehrlinspiels Chance. Hermann lebte in diesem Moment ganz in seiner Erinnerung, schenkte ihm keine Aufmerksamkeit. »Lenken Sie ihn ab«, zischte er Evers zu, löschte die Taschenlampe und befahl Brock: »Los.« Geduckt huschten sie um den Felsen herum.
    Keiner der Zuschauer gab mehr einen Mucks von sich, wie schwarze Statuen standen sie da, lauschten dem makaberen Schauspiel. Der letzten Rede, die ihr Bürgermeister halten würde.
    »Wir wollten für Sina den Bußgang nachholen«, drang es etwas leiser zu Ehrlinspiel. »Ein paar Tage nach der offiziellen Rabenprozession. Bruno hat Felix aus seiner Wiege geholt. Dann sind wir losgezogen. Meine Schwester, mein Bruder, Johannes und ich.« Hermann verstummte.
    In Ehrlinspiels Stiefel kroch Schnee, als er Hanna, die vor ihm ging, in dichtes Gestrüpp folgte. Er bemerkte frische Fußspuren und niedergetretene Äste.
    »Was geschah dann?« Evers, die das Gespräch übernommen hatte, klang erstaunlich souverän. Sehr gut, das würde Hermann am Reden halten. »Sie sagten, es sei ein Unfall gewesen.«
    Dornen rissen am Mantel des Hauptkommissars, und im gedimmten Licht, das er jetzt, an der Seite des Felsens und hoffentlich außerhalb von Hermanns Blickbereich, einzuschalten gewagt hatte, sah er kaum weiter als bis zu Brocks Füßen. Sie trug tatsächlich nur Halbschuhe.
    Auf der Rückseite des Plateaus dröhnte das Wasser noch lauter, und Hanna Brock wollte eben einen kleinen Steg betreten. »Stopp!«, sagte Ehrlinspiel und hörte vage Hermann: »Ich hatte Felix im Arm. Alles war gut. Wir waren hier oben. An der Quelle. Und dann … dann … bin ich ausgerutscht. Der

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