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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Ehrlinspiel war gleichzeitig ungehalten über die Einmischung der Redakteurin und froh über die neue Information. Endlich eine erste konkrete Aussage. Jetzt, am Freitagabend. »Warum haben Sie mir das nicht schon gestern erzählt?«
    Willi schnitt verlegene Grimassen, und Ehrlinspiel wartete ab. Noch vorhin hatte er mit dem Gedanken gespielt, übers Wochenende nach Hause zu fahren. Einen Samstag mit Frühstückszeitung, frischem Toast mit Himbeermarmelade und dem Blick auf die Dächer der Wiehre – seines Freiburger Stadtteils – genießen, das hätte ihm gefallen. Danach ein neues Rezept für seine Vierbeiner austüfteln. Er experimentierte gerade mit Leber von freilaufenden Hühnern und gekochten Haferflocken. Bentley strich ihm begeistert um die Beine, sobald er den Fressnapf damit füllte. Bugatti hingegen verharrte stur auf dem Fensterbrett, streckte Ehrlinspiel das Hinterteil entgegen und blickte demonstrativ auf den kleinen baumbestandenen Platz vor dem Jugendstilhaus hinunter. Um diese Jahreszeit waren die Zierkirschen kahl, doch im Frühjahr verwandelten sie sich in ein duftendes weißes Blütenmeer.
    Ehrlinspiel hatte das Haus mit seinen bunten Glasfensterchen im Treppenhaus von Anfang an gemocht. Dass sich seit der Sanierung ein Loft mit Dachterrasse darin verbarg, sah man von außen nicht.
    Bugatti kratzte das alles wenig. Schaufelte der Hauptkommissar keinen akzeptablen Ersatz in die Schüssel, stolzierte der Kater mit erhobenem Schwanz ins Schlafzimmer, wo er sich in der Mitte des großen Bambusbetts zusammenrollte. Ehrlinspiel wollte für ihn eine Variante mit gestampften Karotten statt Haferflocken ausprobieren.
    Am Nachmittag wäre noch Zeit für eine Runde Tischtennis mit Paul Freitag geblieben – natürlich nicht, ohne dass der über Ehrlinspiels Sorge um das leibliche Wohl seiner Vierbeiner gelästert hätte. Freitag war der Ansicht, Ehrlinspiels Katzen lebten besser als der leitende Kriminaldirektor – ihr gemeinsamer Chef –, der ein Restaurant nur dann betrat, wenn dieses mit mindestens zwei Michelinsternen ausgezeichnet war und er vom Maître de Cuisine persönlich empfangen wurde. Im Gegenzug piesackte Ehrlinspiel Freitag wegen dessen Sammelleidenschaft für skurrile Todesanzeigen.
    Am Abend und Sonntag hätte er sich in die neue Version seines Bildbearbeitungsprogramms vertiefen können. Die Tonwertkorrektur mittels Gradationskurven war um einiges bequemer geworden, zudem konnte man nun einzelne Bildbereiche interaktiv aufhellen oder abdunkeln. Für Katzenfell mit feinen Braunzeichnungen ein großer Vorteil.
    Ehrlinspiel liebte solche Wochenenden. Doch sein Ehrgeiz ließ sie kaum zu.
    Jetzt, nach dem ersten vagen Anhaltspunkt, war er froh, sich zum Bleiben im Dorf entschieden zu haben. Der Fall war frisch und brauchte Druck. Er durfte dem Mörder keine Zeit geben, eventuelle Spuren zu beseitigen oder sich gar aus dem Staub zu machen – falls er nicht schon längst über alle Berge war.
    »Keine Ahnung, warum sich Elisabeth und Johannes gestritten haben.« Der Wirt beugte sich etwas herab. »Aber was würden Sie denn tun, wenn Ihre Ex-Freundin Sie sitzenlässt und dann plötzlich, schwanger von einem anderen, vor der Tür steht?«
    »Plötzlich? Dazwischen lagen doch beinahe zehn Jahre.«
    »Sie kennen Johannes nicht. Der hat sie nie loslassen können.«
    Und was habe ich gemacht, schoss es Ehrlinspiel durch den Kopf, während das enge Leben des Bauern nur um die eine Frau kreiste? Ich war ein Weiberheld. Karrieresüchtig. Habe aber auch viel über die Menschen gelernt.
    Schon mit einunddreißig Jahren war Ehrlinspiel Kriminalhauptkommissar geworden. Seine Laufbahn hatte er gleich im gehobenen Dienst begonnen – ohne den Umweg über den mittleren Dienst plus mühsames Hocharbeiten. Die Polizeireform 1993 war ihm zugutegekommen: Seither war mit einem Spitzenabitur der direkte Einstieg in den gehobenen Dienst möglich. Mit dieser Neuerung war die Polizei mit anderen Verwaltungsberufen gleichgezogen.
    Er hatte eine vorbildliche Karriere hingelegt: Vorausbildung bei der Bereitschaftspolizei Bruchsal, Praktikum, Studium an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen. Nach insgesamt nur fünfundvierzig Monaten war er Diplom-Verwaltungswirt und Polizeikommissar. Mit Bestnoten – dank derer er direkt bei der Kriminalpolizei starten konnte und nicht erst den üblichen Dienst bei der Schutzpolizei leisten musste. Seine damalige Flamme, die blonde Studentin, bestimmte den

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