Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
lassen und meine Aussage abgeben.«
»Hat mich gefreut, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, Ma’am.«
Sie schüttelten sich die Hände, Caitlyns zitterte vor Müdigkeit, weil das Adrenalin langsam abebbte. »Danke.«
Gab es etwas Beschämenderes, als von der eigenen Mutter vom Polizeirevier abgeholt zu werden, nachdem man die halbe Nacht lang verhört worden war? Caitlyn hätte sich nichts Schlimmeres ausdenken können – besonders, da Jessalyn sich aufführte, als sei ihre Tochter fünfzehn Jahre alt und wäre bei einer Spritztour mit einem geklauten Auto erwischt worden.
»Was soll ich bloß mit dir machen?«, ereiferte sie sich. »Du hättest umgebracht werden können. Wieder einmal.«
Caitlyn ignorierte die grinsenden Gesichter der Kollegen in den überfüllten kleinen Räumen des Reviers. Sie alle feixten vor Schadenfreude. Wo waren die Kollegen, die sie noch vor fünf Minuten wie eine Heldin behandelt und ihr dazu gratuliert hatten, dass sie all das geregelt hatte, ohne dass jemand – und schon gar kein Polizist – erschossen worden war?
»Mir geht es gut, Mom. Setz mich einfach bei der Lodge ab, da kann ich in meinen Wagen umsteigen.«
»Das wirst du schön bleiben lassen. Du kommst mit mir nach Hause.«
Sobald sich die Türen des Reviers hinter ihnen schlossen und sie ungestört waren, wurde Caitlyn energischer. »Nein. Bring mich entweder zur Lodge oder nach Hause. Zum McSwain Mountain.«
Jessalyn wurde kreidebleich. »Zu unserem alten Haus? Weshalb solltest du dort hinwollen?«
»Ich muss dort etwas holen. Etwas, das Dad für mich zurückgelassen hat.«
Jessalyn warf Caitlyn die Schlüssel zu ihrem Jaguar in die Hand. »Von mir aus. Fahr, wohin du willst. Wirst du mich hierlassen oder darf eine Mutter ihre Tochter, die sich gerade beinahe umgebracht hätte, begleiten?«
Caitlyn seufzte. Sie hatte zwei Nächte nicht geschlafen und war nicht in der Verfassung, sich mit Jessalyn zu streiten. »Steig ein.«
»Lass mich nur erst Jimmy anrufen und ihm sagen, dass es dir gut geht.« Während Caitlyn sich auf den Fahrersitz setzte und die Spiegel einstellte, blieb Jessalyn draußen stehen und telefonierte. Jimmy lag wahrscheinlich aller Sorgen ledig in seinem warmen Bett. Weshalb sollte er sich auch sorgen? Bislang hatte Caitlyn bis auf bloße Vermutungen nichts in der Hand, was ihn mit Elis und Tommys Mord in Verbindung brachte.
Früher oder später würde sie sich etwas überlegen müssen, was Jimmy anging. Sie selbst konnte keine Untersuchung gegen ihn einleiten, Sheriff Markle vielleicht schon. Eventuell sogar Goose, wenn es denn irgendeinen Beweis gab, dass Jimmy von der Geldwäsche wusste. So, wie die Dinge standen, war sie allerdings nicht einmal sicher, ob sie ihn wegen Betrugs wegen des Baugeschäfts von damals drankriegen würden. Schließlich hatte er das Grundstück weder unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gekauft noch verkauft – er hatte lediglich die Bebauung durchgeführt. Der Stamm würde die schwarzen Familien ganz allein entschädigen und Schadensersatz zahlen müssen.
Zum Teufel, so verworren, wie das Rechtssystem war, hatte Jimmy vermutlich nicht einmal ein Gesetz gebrochen. Der Gedanke machte sie unendlich müde.
Jessalyn hüpfte in den Wagen, und sie machten sich auf den Weg über den Berg. Nach Hause.
Als sie dort ankamen, war Caitlyn überrascht, Licht im Haus zu sehen, außerdem stand ein schwarzer Geländewagen in der Einfahrt. Das Haus sah so heimelig und einladend aus, wie sie es in Erinnerung hatte, fast so, als warte ihr Vater dort drinnen auf sie. Sie verscheuchte das Gefühl.
»Jimmy hat es in Schuss gehalten«, sagte Jessalyn. »Nur für alle Fälle.«
Sie stiegen aus. Caitlyn starrte das alte Farmhaus an, die Veranda, auf der sie so viele glückliche Stunden verbracht hatte, die Stufen, die sie gemeinsam mit Vonnie hoch- und runtergeflitzt war. Die Tannen neben der Auffahrt wogten im vom Berg heranziehenden Wind hin und her, sie schienen Caitlyn heranzuwinken. Sie hätte schwören können, das Lachen ihres Vaters zu hören, wenn sie nur angestrengt genug ins Dunkel hineinlauschte.
Ihr Telefon schellte. Boone. »Geh du ruhig schon vor«, sagte sie zu Jessalyn. »Ich bin gleich da.« Sie wollte sich nicht bewegen und damit das Risiko eingehen, ihren halben Balken Empfang, der ihr wundersamerweise gewährt wurde, gleich wieder zu verlieren. »Tierney. Sie sind früh auf.«
»Wer sagt, dass ich überhaupt geschlafen habe?«, raunzte Boone sie in seiner typisch
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