Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
Ich habe schon Gesichtsbehandlungen und Massagetermine vereinbart, außerdem hat uns Jimmy zwei Plätze für die Show heute Abend reserviert – erste Reihe.«
»Tyne Daily spielt die Hauptrolle im Musical
Gypsy
«, warf er stolz ein. »Aber zuerst lasst uns bei einem schönen Abendessen alles Versäumte nachholen. Ich lade euch ein.«
Er nahm Caitlyn am anderen Arm, und sie fühlte sich plötzlich wieder wie damals mit neun, als sie gegen ihren Willen zum Kindergottesdienst geschleift wurde. Dem breiten Lächeln ihrer Mutter hatte sie jedoch nichts entgegenzusetzen – besonders nicht in Verbindung mit den Schuldgefühlen, die Jimmys Worte in ihr ausgelöst hatten. Sie hatte ihre Mutter tatsächlich gemieden. Sie könnte eine bessere Tochter sein.
Die Suche nach Lena konnte ebenso gut noch ein, zwei Stunden warten, sagte sie sich. Dennoch konnte sie eine ungute Vorahnung nicht unterdrücken, und immer wieder tastete sie unwillkürlich nach der Glock.
Goose hätte Caitlyn Tierney auch ohne die Beschreibung des Hotelangestellten oder ihr leuchtend rotes Haar erkannt. Die Frau ging nicht einfach durch einen Raum. Sie schritt wie ein Revolverheld daher, mit leicht wiegendem Gang, wohl um das Extragewicht der Waffe an ihrer rechten Hüfte auszugleichen. Ihr Blick war ständig in Bewegung, fing jedes Detail in der Umgebung, jedes potenzielle Risiko auf, jederzeit bereit, einzugreifen. Als sie bei der Anmeldung stand, hatte sie eine Kopfbewegung gemacht, wie um ihr Haar zurückzuwerfen, also trug sie den Kurzhaarschnitt wohl noch nicht lange. Er verlieh ihr mehr das Aussehen eines elfengleichen Fabelwesens als das einer Polizistin.
Ein Fabelwesen, das Narben davongetragen hatte. Eine schimmerte über der Schläfe kurz unter dem Haaransatz hervor. Eine weitere zog sich das Brustbein hinauf, und sie versuchte erst gar nicht, die Verletzung unter einem Rollkragen oder einer hochgeschlossenen Bluse zu verstecken, wie er anerkennend registrierte.
Sie hatte eine gute Figur, war offensichtlich in Form. Nicht zu dünn und nicht zu dick, über der schmalen Hüfte zeichneten sich die deutlichen Rundungen ihres Busens ab. Bei dem sie nicht künstlich nachgeholfen hatte, was auch gar nicht nach seinem Geschmack gewesen wäre
Dann hatte sie den Kopf gewandt und ihn unvermittelt angesehen. Er hatte ihren Blick geradeheraus erwidert. Für Versteckspielchen war es ohnehin zu spät. Außerdem wollte er wissen, aus welchem Holz sie geschnitzt war. Poppy hatte ihm aufgetragen, so viel wie möglich über die Frau herauszufinden, und das würde ihm sicher ohne irgendwelche komplizierten Manöver gelingen.
Er konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Das war der beste Auftrag, den er je von Poppy bekommen hatte. Vielleicht hatte er auch etwas falsch verstanden, denn Caitlyn wirkte nicht wie eine Bedrohung für die Reaper.
Er hatte ihr Wiedersehen mit Jimmy McSwain beobachtet, grinsend mitangehört, wie der Mann sie Rotschopf genannt hatte und die Schlüsselkarten eingesteckt, die ein von Poppy bestochener Mitarbeiter des Hotels besorgt hatte. Eine für Caitlyns Zimmer, eine für jedes angrenzende. Er hatte die nötigen Gerätschaften mitgebracht, einen Tastatur-Rekorder für ihren Laptop sowie einen GPS -Tracker für ihr Auto. Alles, was nötig war, um herauszufinden, weshalb eine FBI -Agentin hinter derselben Jurastudentin her war, die Poppy in die Finger bekommen wollte.
Goose hatte keinen blassen Schimmer, auf welches Geheimnis die Studentin da gestoßen war, wegen dessen sie jetzt mundtot gemacht werden musste; das war eine Angelegenheit zwischen Poppy und demjenigen, von dem Poppy seine Befehle erhielt, wer auch immer das war. Er ging jedoch davon aus, dass es in seinem besten Interesse lag, so viel wie möglich über Lena Hale wie auch über Caitlyn Tierney herauszufinden. So konnte er beide Frauen schützen, den Reapern aber gleichzeitig das geben, was sie wollten. Das wäre für beide Seiten ein Gewinn und würde jede Gewalt überflüssig machen.
Caitlyn warf ihm einen letzten Blick zu, bevor sie ihrem Onkel in den Bürobereich folgte. Goose zwinkerte ihr zu und schaute ihr nach. Auch von hinten war sie eine Augenweide. Dann beeilte er sich, um den Kofferträger abzufangen, der ihre Tasche entgegengenommen hatte. Der Ausbeulung nach befand sich ein Laptop darin. Falls dem so war, juckte es ihn bereits in den Fingern, sich den genauer anzusehen. Je mehr er wusste, desto besser konnte er seinen Auftrag
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