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Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Schweig still, mein totes Herz (German Edition)

Titel: Schweig still, mein totes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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konnte sie noch die Umrisse der Hütte ausmachen, aus der sie geflohen war. Zwei Hütten. Ihr Verstand war wie vernebelt, sodass selbst diese einfache Beobachtung sie ermüdete.
    Das Schneegestöber hatte sich noch verdichtet, ihr Mantel war mit einer weiß glänzenden Schicht bedeckt. Ihr Blick fiel auf die Hütte, die vor ihr lag, dann glitt er zu den windgepeitschten Bäumen gleich dahinter. Ein Unterschlupf. Sie brauchte ein sicheres Dach über dem Kopf.
    Da hörte sie wieder dieses Geräusch. Smokey war zu ihr zurückgekommen, hüpfte laut kreischend auf und ab. Der Schimpansin gefiel die Hütte auch nicht. Gemeinsam gingen sie an ihr vorbei.
    »Nicht der Wald«, sagte Lena mit tauben Lippen zu Smokey, sie war überrascht, dass sie überhaupt noch etwas herausbekam. »Wir brauchen ein anderes Haus. Einen warmen Ort.«
    Die Schimpansin bewegte das Kinn, als hätte sie verstanden, und führte Lena am Waldrand entlang weiter bergabwärts. In der Ferne tauchte eine weitere Hütte auf, ähnlich den ersten beiden, aber dort wollte Smokey nicht hin. Stattdessen führte sie Lena zu einem größeren Holzhaus, verglichen mit den anderen war es solider gebaut, mindestens drei Mal so groß und hatte zwei Stockwerke.
    Lena zog Smokey am Arm, sie wollte sich das Haus genauer ansehen, aber Smokey versuchte, sie daran vorbeizuführen. Lenas Füße waren schwer wie Blei, sie kam kaum noch vorwärts. Sie stolperte, fiel bäuchlings hin und wäre beinahe direkt aufs Gesicht gefallen. Ihre Hände trafen auf kalte Erde, ein Kissen aus Piniennadeln und kleinen Zweigen federte ihren Sturz ab.
    Sie blieb liegen, presste das Gesicht in den schneebedeckten Boden und war nicht sicher, ob sie sich überhaupt wieder aufraffen sollte. Warum auch? Sie könnte einfach hier einschlafen, alles würde gut werden, alles gut …
    Da hörte sie Vonnies Stimme. »Beeil dich, Lena. Wir warten«, rief sie ihr aus dem Dunkel zu.
    »Fünf Minuten«, murmelte Lena mit geschlossenen Augen. »Ich bin in fünf Minuten da. Versprochen.«
    Vonnie ließ nicht locker. »Na los, mach schon. Du weißt, wir dürfen nicht zu spät kommen. Daddy wartet.« Das Geklimper von Münzen in einem Plastikbeutel begleitete ihre Worte. »Du darfst auch das Kleingeld verwalten.«
    Lena schlug die Augen auf. Sie sah ihre Mutter, die ihren besten schwarzen Hut aufgesetzt hatte, den mit der Pfauenfeder. Derselbe Hut, den Lena bei ihren nachgespielten Teekränzchen aufsetzten durfte, wenn sie versprach, besonders gut darauf aufzupassen.
    Vonnie trug ein rotes Samtkleid, genau wie Lena. Weihnachten. Oh, wie gut sie sich an jene Feiertage erinnerte – in aller Herrgottsfrühe aufstehen, weil die Wartezeiten für Besucher an diesem Tag noch länger waren als sonst. Da es draußen noch dunkel war, schlief sie im Auto jedes Mal gleich wieder ein; und während sie darauf warteten, abgefertigt zu werden, schlief sie auf Moms Schoß ein; auch am Tisch, während sie auf Daddy warteten, schlief Lena ein.
    Erst nach vielen Jahren erfuhr Lena, dass andere Kinder früh aufstanden, weil Geschenke unter einem Baum auf sie warteten, nicht lange Schlangen in einem überfüllten Raum voll fremder Menschen, und dass ihr Abendessen nicht mit Kleingeld aus einem Automaten gezogen wurde, sondern dass sie abends Truthahn serviert bekamen.
    »Lena. Steh auf.«
    Sie wurde wütend und verscheuchte ihre Schwester mit einer abwehrenden Armbewegung. »Lass ihn ruhig warten. Der Scheißkerl ist schuldig. Ist dir oder Mom das je in den Sinn gekommen? Nein, ihr habt immer nur gesagt, wir dürften den Glauben nicht verlieren. Ihr habt an ihn geglaubt –
wir
haben an ihn geglaubt. Haben unsere Leben an ihn verschwendet. Aber da mache ich nicht mehr mit. Von mir aus kann er da verrotten.«
    Lenas Wange brannte, als Vonnie sie ohrfeigte. »Sag nicht so etwas. Das darfst du nicht einmal denken. Und jetzt steh auf!«
    Lena versuchte es. Sie musste ihrer Schwester klarmachen, dass die sich irrte. Aber ihre Lider waren einfach zu schwer. Ihr Körper wog Zentner.
    Also rollte sie sich noch fester zusammen. »Geh weg, Vonnie. Lass mich schlafen.«
    Bernie musste seinen ganzen Mut zusammennehmen, um sich an den feiernden Reapern vorbei aus dem Klubhaus zu schleichen, obwohl es noch recht früh am Abend war. Aber er musste einfach wissen, ob es Lena und den Tieren gut ging.
    Und je länger er mit den Reapern rumhing und sich vorstellte, was sie Mason angetan hatten, was sie mit
ihm
anstellen würden, wenn sie ihm auf die

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