Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
der Gedanke daran, wie enttäuscht Vonnie und ihre Mutter sein würden, trieb sie weiter voran. Ein Schritt, noch einer, noch einer … Sie stieß gegen die Tür, fummelte an dem schweren Riegel herum, mit dem sie gesichert war. Altmodisch. Hochheben, wegschieben und ziehen.
Die Tür ging auf. Sie fiel hinein. Schloss erneut die Augen. Öffnete sie nicht einmal, als irgendetwas direkt vor ihr mit dumpfem
Plumps
auf den Boden sprang.
18
Nachdem die erste Überraschung verflogen war, wurde Caitlyn angst und bange. Verflucht, nein, nein, nein. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. »Paul«, platzte es aus ihr heraus, ehe sie sich fangen konnte. »Was zum Teufel?«
»Deine Mutter hat sich Sorgen gemacht. Und mich hierhergeschickt, um dich zu holen.« Er stand aufrecht da und sah ihr direkt in die Augen, als wäre niemand außer ihr anwesend. Er schien nicht einmal zu bemerken, dass er der einzige dunkelhäutige Mann im Lokal war, noch dazu der Einzige, der keine Waffe trug.
»Habt ihr das gehört, Jungs?«, sagte Poppy. »Das ist wahre Liebe. Er ist hergekommen, um sie zu retten.«
Paul schüttelte die beiden Männer ab, die ihn festhielten, dabei ignorierte er demonstrativ den, der mit einer Pistole auf ihn zielte. Trotz ihrer Wut und ihrer Angst musste Caitlyn zugeben, dass es einen gewissen Reiz hatte. Oder gehabt hätte, wenn ihr ohnehin unausgegorener Plan, sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen, sich dadurch nicht in eine brenzlige Geiselnahme verwandelt hätte.
»Sieh mal«, versuchte Paul es mit seiner vernünftigen Arztstimme. »Ich weiß zwar nicht genau, was hier vorgeht, bin mir aber sicher, dass es sich lediglich um ein einfaches Missverständnis handelt …«
»Sei still, Paul«, fuhr Caitlyn ihn an, ehe er alles nur noch schlimmer machte.
Paul starrte sie wütend an und wollte wieder den Mund öffnen, da schaltete Poppy sich ein: »Tun Sie, was die Lady sagt, Paul.«
Der Reaper mit der Waffe stieß Paul den Lauf in den Bauch, direkt unter dem Rippenbogen, sodass er nach Luft schnappte. Caitlyn merkte sich den Kerl: mittleres Alter, dunkles Haar, klein, mit fieser Schlägervisage. Noch lange nicht so fies, wie er aussehen würde, wenn sie mit ihm fertig war, versprach sie sich. Der Name auf seiner Weste lautete Weasel. Wie passend.
Die Menschen auf der Tanzfläche hinter Paul wackelten unverdrossen mit den Hüften und schwangen den Hintern, wie es nur Weiße ohne jegliches Taktgefühl fertigbrachten, ganz so, als sei das, was sich hier abspielte, wie durch ein unsichtbares Kraftfeld von ihnen getrennt. Außerhalb ihrer Welt. Von denen war also keinerlei Hilfe zu erwarten. Damit hing alles allein von ihr ab.
Der Rocker, den Poppy losgeschickt hatte, um Gooses Kutte zu holen, war wieder da und hielt Goose die Weste hin – äußerst respektvoll, und als der sie angezogen hatte, sah Caitlyn auch wieso. Das Arschloch war der verdammte Vollstrecker der Gang.
Sobald er die Weste anhatte, veränderte sich Gooses ganzes Auftreten. Er musterte sie, ohne auf Paul zu achten, dann schien er die Stimmung unter den um den Billardtisch versammelten Reapern einzuschätzen – unter denen sich auch einige vom Heimatsitz befanden. Das verschärfte die Lage, denn vor den obercoolen Typen aus Daytona mussten die Carolina Mountain Men natürlich ihr Gesicht wahren.
Großartig. Einfach großartig.
Sie spielte verschiedene Szenarien im Kopf durch, verwarf jedes davon wieder, bis nur noch ein einziges übrig blieb. Das ihr überhaupt nicht gefiel, aber nur so würde kein Blut fließen. Sie musste aufgeben.
Sie zog mit der linken Hand die silberne Anstecknadel vom Kragen und lehnte sich mit gebeugtem Kopf weit über den Tisch, um sie so nahe wie möglich vor Poppy abzulegen. Dabei gelang es ihr, unbemerkt mit der rechten Hand nach der Baby-Glock zu greifen. Als sie sich aufrichtete, hielt sie die Waffe unter dem Tisch und zielte auf die Stelle, an der es Poppy am meisten wehtun würde. Die linke Hand ruhte einsatzbereit auf ihrem Schlagstock.
Leider hatten inzwischen drei weitere Reaper Pistolen gezogen und mindestens vier andere hatten die Hände in den Taschen, vermutlich auch an den Waffen.
»Ich habe einen Fehler gemacht«, gab sie zu und schluckte ihren Stolz hinunter. »Und jetzt lassen Sie ihn gehen.«
Poppy schaute ihr lange in die Augen, während er die silberne Anstecknadel in den Fingern hin- und herdrehte. »Was meinst du, Goose?«
»Ich meine, wir haben heute Abend eine Menge Leute
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