Schweig still, mein totes Herz (German Edition)
gelähmt, Lena brachte die Worte nur undeutlich heraus. War sowieso eine verrückte Idee, einen Puma durch gutes Zureden von seinem Abendessen wegzulocken.
Das durch die Tür einfallende Licht traf auf das hin und her tigernde Raubtier; es hob den Kopf, als würde es über Lenas Worte nachdenken. Sein Fell hatte ein Muster. Kein Puma. Ein Leopard? Was zum Teufel hatte ein Leopard hier verloren?
Die Frage hob sie sich für später auf. Wenn der Leopard sich auf der anderen Seite der Tür befand und sie und Smokey sicher im Haus waren.
Plötzlich verdunkelte ein Schatten die Tür. Ein Mann. Ein Lichtstrahl fiel auf Lena, blendete sie. Sie schirmte die Augen ab und stolperte rückwärts. Ihr Fuß traf auf irgendetwas Feuchtes. Sie ruderte mit den Armen, kämpfte ums Gleichgewicht, fiel aber trotzdem und war vom Aufprall wie benebelt.
Der Leopard machte einen Satz. Aber nicht in Lenas Richtung. Mit bedrohlichem Fauchen stürzte er sich dem Mann entgegen, schlug mit der Tatze nach ihm und flüchtete dann in die Freiheit.
Smokey hüpfte unter lautem Gebrüll auf und ab und schwang die Arme, der Mann sackte im Türrahmen zusammen und ließ die Taschenlampe fallen. Sie drehte sich auf dem Boden wie eine Diskokugel, und Lena meinte, einen alten Empfangstresen erkennen zu können. Sie wusste nicht, ob sie aufstehen oder sich besser so lange tot stellen sollte, bis der Mann aus der Tür trat und ihr damit einen Fluchtweg eröffnete.
Gerade kämpfte er sich wieder hoch, verstaute irgendetwas in seiner Jackentasche und näherte sich mit zur Seite ausgestreckten Händen, wie um sie davon zu überzeugen, dass er keinerlei Bedrohung darstellte. Sie war noch nicht überzeugt, aber ihre Füße waren immer noch zu taub, um einen Fluchtversuch zu wagen – verdammt, bei ihrem letzten Versuch, ein paar Schritte zu gehen, war sie einfach umgefallen, also würde sie sich einen Plan B ausdenken müssen. Vielleicht könnte Smokey ein Ablenkungsmanöver starten und ihr so etwas mehr Zeit verschaffen?
»Sch, ist schon gut, ich will doch nur helfen. Lass mich rasch nachsehen, ob es ihr gut geht.« Der Mann redete beruhigend auf die Schimpansin ein, dabei näherte er sich Lena Schritt für Schritt. Smokey schien besänftigt und nahm eine entspannte Haltung ein.
So viel also zu ihrem Plan B. Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, ihre eiskalten Gliedmaßen zu befehligen.
»Du erinnerst dich doch noch an mich, mein Mädchen, nicht wahr?« Der Mann streckte die Hand aus. Smokey schnüffelte an der Hand, ergriff sie und tätschelte dann den Arm hoch bis zur Brust, wie um sich erneut mit dem Mann vertraut zu machen. Der blieb ruhig stehen, bis der Affe seine Untersuchung beendet hatte. Erst dann kauerte er sich neben Lena.
Smokey ahmte seine Haltung nach und stupste Lena sanft. Mit einem bekümmerten Winseln wandte sie sich dann an den Mann. Als gehe sie vertrauensvoll davon aus, dass er sich um Lena kümmern würde.
Lena rührte sich nicht. War zu keiner Bewegung fähig. Weil sie selbst in dem schummrigen Licht die Augen des Fremden erkannt hatte.
Hellblau mit silbernen Sprenkeln. Die Augen des Mannes, der sie gefangen hielt.
20
Paul hatte ihnen ein ganz gewöhnliches Zimmer über dem Atrium besorgt. Es bot ein großes Doppelbett und einen kleinen Tisch mit zwei ungemütlich aussehenden Sesseln vor dem innenliegenden Fenster neben der Tür. Das Fenster gefiel Caitlyn gar nicht, es war ein Sicherheitsrisiko, dennoch war sie froh darüber, umgezogen zu sein. Selbstverständlich war sie trotzdem noch auf der Hut, aber für eine Nacht war das hier in Ordnung.
Sie hatte Elis Hinterlassenschaft aus dem Auto geholt und würde sie nicht aus den Augen lassen, ehe sie sich alles angesehen hatte.
»Um was um alles in der Welt ging es da vorhin überhaupt?«, fragte Paul, kaum dass sie zur Tür hinein war und während sie die Unterlagen auf dem Tisch neben dem Fenster abstellte. Sie hatte eigentlich gehofft, er wäre schon eingeschlafen. Pech gehabt. »In dieser Bar?«
»Ich habe meine Arbeit erledigt. Bis du aufgetaucht bist.«
Er wirkte nicht überzeugt. »Wollten uns diese Rocker tatsächlich wegen eines bescheuerten kleinen Ansteckers erschießen?«
»Das ist eine Frage der Ehre. Diese Reversnadel steht für den gesamten Klub.«
»Von wegen Ehre, dass ich nicht lache.« Wow, er war wirklich wütend. So hatte sie ihn noch nie erlebt. »Dieser Haufen rassistischer Rowdys. Und du, was hast du dir nur dabei
Weitere Kostenlose Bücher