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Schweig wenn du sprichst

Schweig wenn du sprichst

Titel: Schweig wenn du sprichst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roel Verschueren
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eine Schwäche für jüngere Partner. Obwohl … In seinem Fall meine ich das eher platonisch«, sagte Lilly.
    »Hier, ich habe ihre Fotos auf meinen Laptop übertragen.«
    Lilly nahm den aufgeklappten Computer von Victor und sah sich die Fotos lange an. Sie zoomte Lucys Gesicht heran. »Sie hat sehr viel von meiner Großmutter«, sagte sie überrascht.
    »Dann war deine Großmutter eine bildschöne Frau. Genau wie du«, sagte Victor.
    Lilly lachte.
    »Sie fasziniert mich. Als ich bei ihr saß und wir uns in die Augen schauten, schien es manchmal ganz kurz so, als wollte sie mir hinter dem stumpfen Blick etwas sagen, aber ihr nachlassendes Gehirn weigerte sich, die Sätze zu bilden. Ich hätte sie beinahe an den Schultern gepackt und zu ihr gesagt: ›Na, sag schon, erzähl es mir‹, aber dann war da wieder diese Leere.«
    »Vielleicht musst du beim nächsten Mal etwas mehr mit meinem Vater über die Zeit sprechen, die er bei ihr zugebracht hat.«
    »Das hatte ich vor.«
    »Und morgen?«
    »Morgen früh gehen wir zusammen in die Stadt. Gegen Mittag lasse ich euch allein, sammle Walter auf und wir gehen zusammen mittagessen«
    »Schön!«, sagte Lilly und gähnte.
    Victor und Walter hatten drei Stunden geredet, als sie sich am nächsten Tag voneinander verabschiedeten. Sie vereinbarten, dass sie über das Internet weiter kommunizieren würden, falls Victor noch Fragen hätte.
    Victor war müde, als er Lilly und Moira abholte. Sie fuhren gemeinsam zu Martha, um ihr auf Wiedersehen zu sagen. Aber Victor war nicht sehr gesprächig. Er war froh, dass wenigstens Lilly herzlich war und dass Moira zum ersten Mal nicht weinte, als seine Mutter sie hochhob. Sie fuhren zum Flughafen und Victor war dankbar, weil Lilly Verständnis dafür hatte, dass er Zeit brauchte, um sich über das eine oder andere klar zu werden. »Ich erzähle dir alles heute Abend, wenn wir zu Hause sind, oder morgen, nachdem ich Moira in den Kindergarten gebracht habe, okay?«
    »Natürlich ist das okay. Komm erst einmal zur Ruhe und lass alles sacken«, hatte sie geantwortet. Er hatte beim Start ihre Hand ergriffen und erst nach der Landung wieder losgelassen.

22
    24. Juli 1944
    Dieses Land ist so schön. Die Stadt ist so lebendig, ich kann es kaum glauben. Wir haben gestern eingekauft und man kriegt hier einfach alles. Niemand leidet irgendeinen Mangel. Richtig frisch gebackenes Brot, Gemüse, das ich noch nie gesehen habe, Kaffee, echter Kaffee, und Butter. Wir haben frischen Apfelsaft getrunken und Torte gegessen, wunderbare Schokoladentorte. Wir sind zu dritt neue Unterwäsche kaufen gegangen und haben seit Langem nicht mehr so gelacht. Machteld fand meine Wahl übertrieben. Sie sagte, dass schließlich niemand sehen könne, was wir unter unseren Uniformen tragen, warum also viel Geld ausgeben. Ich finde es schön, wieder einmal weichen Stoff auf meiner Haut zu spüren, und es steht mir gut. Ich fühle mich endlich etwas fraulicher, und was sie hier in den Läden haben, können wir bei uns zu Hause sowieso nicht kaufen.
    Joanna ist die Schönste von uns dreien. Ihr steht einfach alles! Ich glaube, dass sie von ihrer Familie Geld zugesteckt bekommt, was die alles gekauft hat! Zwei Paar neue Schuhe, eine wunderschöne hauchdünne Bluse, schwarze Nylonstrümpfe mit feinem Muster am Fußgelenk, Bücher auf Deutsch, denn ihre Mutter ist Deutsche und sie beherrscht die Sprache genauso fließend wie Niederländisch. Sie hat so viel gelesen, ich kann da nur staunen. Ich wusste nichts zu sagen, als sie mich fragte, was ich machen werde, wenn der Krieg einmal gewonnen ist. Ich weiß es nicht. Sie sagte, dass wir dann alle Teil eines Großdeutschlands sein würden, größer als das Römische Reich, und dass wir dann zusammen im großniederländischen Raum leben würden, der aus Flandern und den Niederlanden zusammen besteht. Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht. Ich muss mehr denken.
    Wir haben heute Morgen auch den flämischen SS -Obersturmbannführer getroffen. Joanna und ich finden ihn sehr hübsch. Er war etwas mager und wir konnten sehen, dass er wohl auf vieles verzichtet hat, aber er war schön und gepflegt. Er bleibt eine Woche bei uns und muss dann nach Russland zurück. Er wird uns nicht zur Last fallen, hat er gesagt. Von mir aus darf er ruhig etwas lästig sein. Er kommt aus der Gegend von Antwerpen und sein Name ist Albert. Mein Herz hat schneller geklopft, als er mich ansprach. Joanna sagte, dass er durchaus zu ihr passen würde, was

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