erreichen.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Prof. Jozef Mertens
[email protected] »Bist du der Professor Mertens aus dem Radio, Hitzkopf?«, fragte Victor laut. Er tippte sofort seine Antwort:
Sehr geehrter Herr Professor,
ich habe Ihrer Mutter auf ausdrücklichen Wunsch eines gemeinsamen Bekannten einen Besuch abgestattet: Markus. Markus hatte mich gebeten, während meines nächsten Besuchs in Belgien herauszufinden, wie es Ihrer Mutter geht, weil er seit ein paar Jahren keine Neuigkeiten mehr von ihr erhalten hat. Ich bin der Lebensgefährte von Markus’ jüngster Tochter. Ich habe seinen Wunsch erfüllt und ihr die kleine Aufmerksamkeit überreicht, die er ihr zukommen lassen wollte. Weil auf der Karte, die ich ebenfalls hinterlassen habe, sein Name steht, war ich mir keiner Schuld bewusst. Ich hoffe, dass mein Besuch keine unangenehmen Folgen gehabt hat, weder für Ihre Mutter noch für Sie.
Mit vorzüglicher Hochachtung,
Victor
Victor suchte im Internet nach Informationen über den Professor auf der Website der Universität. »Haha, unser Muttersöhnchen gibt sich bescheiden.« Er war nicht nur Professor für Geschichte. Er hat auch über »die flämische Bewegung zwischen 1935 und 1950« promoviert. Ein paar Stunden später kam die Antwort.
Lieber Victor,
ich habe in einem Schrank den Zettel von Markus gefunden. Er lag nicht bei dem Kreuz im Zimmer meiner Mutter. Natürlich dachten Sie, dass ich ihn lesen und dadurch verstehen würde, was der Grund Ihres Besuchs war. Ich würde gerne Ihre Rolle als Bote etwas ausdehnen und Sie freundlich bitten, Markus unseren allerbesten Dank und liebe Grüße zu übermitteln. Er war ein wichtiger Mann und ein guter Freund für uns. Wir tragen ihn für immer in unseren Herzen. Wir hoffen, dass es ihm gut geht, und ich hoffe, Ihnen vielleicht auch einmal einen Gefallen tun zu können. Meine Bitte, mich in Zukunft vorher von Ihrem Besuch zu verständigen, bleibt jedoch unvermindert bestehen.
Jozef
»Miesepeter!« Victor hatte vor, diesen Gefallen schneller einzufordern, als Jozef sich vorstellte.
24
Victor schob die Riesengarnelen in den Ofen und stellte den Timer auf fünfundzwanzig Minuten, als es an der Tür klingelte. Es zog den wattierten Handschuh aus und lief in den Flur, sah aber, dass Lilly schon an der Gegensprechanlage stand. »Sie sind da«, sagte Lilly. »Kommst du?«
»Zwei Minuten.« Victor wusch sich die Hände und nahm die Flasche Cava aus dem Kühlschrank.
Andrea und Stefan zogen ihre Jacken aus und betraten, jeweils mit einer Flasche, zusammen mit Lilly die Küche. »Hallo! Hier riecht es aber schon lecker«, sagte Andrea und gab Victor zwei Küsse. Sie schaute durch das Ofenfenster und rieb sich die Hände. »Ist Moira noch wach?«
»Nein, sie schläft schon seit einer halben Stunde«, sagte Victor.
Ihr Bruder umarmte Victor und fragte, wie es ihm gehe.
»Ein Abend ohne Arbeit. Verstand auf null. Focus auf unendlich. Da kann nichts mehr schiefgehen«, sagte Victor.
Stefan drehte seinen Kopf leicht nach links und zog mit dem Zeigefinger sein Augenlid nach unten.
»Na ja, wir können es wenigstens versuchen«, sagte Victor.
»Hunger?«
»Ich habe heute noch nichts gegessen, weil ich wusste, dass du kochen würdest.«
»Ach! Du setzt den Koch viel zu sehr unter Druck, mein Bester.«
Lilly füllte die Gläser. »Worauf trinken wir?«, fragte sie.
»Auf uns. Das muss auch mal sein«, sagte Victor.
»Und auf die zukünftige Mutter«, sagte Stefan und nahm seine Schwester in die Arme.
Lilly stellte ihr Glas ab, streckte beide Arme in Andreas Richtung und stieß einen langen Schrei aus. Sie umarmten sich, so als hätten sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen, und während sie weiterschrie, hob Lilly Andrea vom Boden hoch. Sie küsste ihre Freundin endlos und ließ sie auf den Boden sinken.
»Wow, du reagierst ja enthusiastischer als meine Mutter«, sagte Andrea.
»Wieso, freut sie sich nicht?«, fragte Lilly ungläubig.
»Sie hat eher ein grundsätzliches Problem mit dem zukünftigen Vater, weil der immer noch im Ausland wohnt, und mit der Tatsache, dass ich nicht verheiratet bin.«
»Let her get a life!«, sagte Victor. »Hast du etwa schlaflose Nächte deswegen?«
»Dafür sorgt unsere Mutter schon«, antwortete Stefan an Andreas Stelle.
»Victor, wenn es nicht um deine eigene Mutter geht, nimmst du die Dinge offensichtlich viel leichter«, sagte Lilly.
Er setzte ein gezwungenes Lächeln auf und kontrollierte den