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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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soll den Informationsdienst des ehemaligen Lagers verbessern wegen der ganzen Anfragen von Angehörigen.«
    »Informationsdienst«, rief Leybach verständnislos. »Für so etwas wird Geld ausgegeben? Nun ja. Wir bezahlen ja ohnehin für alles. Ausländer. Asylanten.«
    »Lass gut sein, Alois«, fuhr Gustav Dallmann dazwischen, der seinen Sohn nervös musterte. »Das bringt uns jetzt auch nicht weiter.«
    »Eben«, schaltete sich Konrad Dallmann wieder in die Unterhaltung ein. »Das Problem ist, dass wir keine Ahnung haben, was sie weiß oder über welche Informationen dieser Skrowka verfügt. In meiner Jugend hieß es immer, Flossenbürg sei nur ein unbedeutendes Lager gewesen. Vor allem für Kriminelle. Und es gäbe gar keine Listen. Nach meiner letzten Information hat Skrowka inzwischen die Namen von sechsundzwanzigtausend Opfern gefunden. Und angeblich existiert irgendwo noch eine weitere Liste mit über achtzigtausend Namen. Jede Woche kommt dort Post an. Aus aller Welt. Die Leute schicken alles Mögliche. Berichte, Fotos, Tagebücher, sogar Zeichnungen. Keiner weiß, was sich dort schon so alles angesammelt hat. Glücklicherweise ist Skrowka noch so gut wie allein. Aber niemand kann wissen, worauf der Mann noch stoßen wird.«
    »Und so etwas finanzieren wir auch noch«, wiederholte Alois Leybach empört.
    Konrad ignorierte den Einwurf. »Ich habe mich letzte Woche mal umgehört. Es gibt kein Thema, vor dem die Politiker hier in der Gegend mehr Angst haben als vor diesen alten NS-Geschichten. So etwas wird schnell zu einer politischen Überlebensfrage. Ihr habt das ja damals selbst erlebt bei dem Riesenwirbel um diesen Pertini-Besuch. Strauß hat die Wahlen damals sicher nicht wegen Pertini verloren, aber genützt hat es ihm nicht. Also: Von euch und mir einmal abgesehen – wir können nicht zulassen, dass irgendeine hergelaufene Forststudentin hier diese Bombe zündet. Das schulden wir schon unserer Heimat. Das kann und darf nicht sein. Ihr habt 1979 die Reißleine gezogen. Und ich sehe nicht, warum das heute anders sein sollte.«
    Einen Augenblick lang wurde es still im Raum. Alois Leybach starrte finster vor sich hin und nickte leicht. Heinbichler fuhr sich mit der Hand über die unrasierten Wangen.
    Gustav Dallmann betrachtete alarmiert seinen Sohn. »Moment mal, Konrad, du wirst doch nicht …«
    »Wir haben wenig Zeit«, unterbrach der ihn.
    »Aber … was ist denn jetzt mit dem Einsatz der Suchtrupps?«, fragte Heinbichler. »Das sollte sie doch ablenken.«
    »Ich habe die Suche abgeblasen.«
    »Mit welcher Begründung eigentlich?«, wollte Gustav Dallmann wissen.
    »Mit gar keiner Begründung.«
    »Ist das klug?«
    »KLUG?«, entfuhr es seinem Sohn. »Gar nichts ist jetzt mehr klug. Idiotische Pläne erzeugen idiotische Situationen.«
    »Der Plan war nicht idiotisch«, warf Alois ein.
    »So?«
    »Wir haben sie offenbar unterschätzt. Das ist alles.«
    »Wir?«
    »Ja.«
    »Ihr habt euch überschätzt«, erwiderte Konrad Dallmann unwirsch. »So herum wird ein Schuh draus.«
    Alois Leybach schaute ihn feindselig an. Heinbichler wollte etwas sagen, aber Konrad kam ihm zuvor: »Wir haben jetzt keine Zeit für diese Diskussion, versteht ihr das nicht? Wir müssen eine Entscheidung treffen. Anja Grimm hält sich seit zwei Stunden an der Stätte eures ruhmreichen Wirkens auf. Vermutlich ist sie dort nicht hingefahren, um sich die Burgruine anzuschauen. Bis vor einer Viertelstunde hat sie mit Skrowka den Steinbruch besichtigt. Jetzt sind sie wieder in seinem Büro. Wir müssen davon ausgehen, dass sie erheblich mehr weiß, als wir ahnen. Es hat also keinerlei Sinn, jetzt noch die Leiche ihres Vaters auszugraben. Wir müssen verhindern, dass sie die anderen findet.«
    »Aber Konrad, sie kann nichts finden«, beschwor ihn sein Vater. »Wir haben damals alles beseitigt. Alles. Da kann sie in Flossenbürg Akten wälzen, bis sie schwarz wird: Da ist nichts.«
    Keiner sagte etwas. Konrad schaute von einem zum anderen.
    »Ich hab’s ja gleich gesagt«, brummte Heinbichler nach einer Weile. »Konrad hat recht. Es ist genau wie damals. Und wir reden hier herum. Wenn wir nur halb so viel Mumm hätten wie damals die Anna, dann würden wir hier nicht tatenlos herumsitzen, sondern das Problem einfach erledigen.«
    Er stellte geräuschvoll seine Flasche Bier auf dem Tisch ab. Alle sahen zu ihm hin. Erst jetzt schien dem Jagdpächter klarzuwerden, was er gesagt hatte. Erschrocken schaute er zu Alois hin, der ihm einen

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