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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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vernichtenden Blick zuwarf. Aber es war zu spät. Nun war es heraus.
    »Wie bitte?«, sagte Gustav fassungslos und fixierte Alois Leybach, der verlegen zur Seite schaute. »Anna?«
    Leybachs Mundwinkel zuckten nervös.
    »Du hast das sie machen lassen?«, fuhr Gustav ungläubig fort. »Und mich hast du in dem Glauben gelassen, dass …«
    »Sie war vor mir da, verdammt noch mal«, erwiderte Alois Leybach patzig.
    »Von wegen«, höhnte Heinbichler. Konrad beobachtete fasziniert, was sich vor seinen Augen abspielte. Was war denn in Heinbichler gefahren? Was für ein alter Groll gegen Alois war denn da aus ihm herausgebrochen? War ihm diese Bemerkung wirklich nur so herausgerutscht? Anna Leybach hatte also Johannes Grimm erschlagen?
    »Anna wusste genau, dass Xaver sie niemals verraten würde«, unterbrach Heinbichler Konrad Dallmanns Gedankengang. »Dich hätte er doch jederzeit ans Messer geliefert. Das weißt du so gut wie ich.«
    Einige Sekunden lang herrschte eisiges Schweigen. Konrad Dallmann wusste nicht, worüber er sich mehr wundern sollte. Über diese alten Männer und ihre miesen kleinen Geheimnisse, oder über sich selbst, dass er tatsächlich hier saß und mit ihnen gemeinsame Sache machte. Es reizte ihn plötzlich, die Sache auf die Spitze zu treiben. Wer waren sie wirklich? Wie weit würden sie gehen? Er fixierte Leybach, der Heinbichler tödliche Blicke zuwarf. Aber der lachte plötzlich, hob sein Glas und prostete ihm provozierend zu.
    »Also, auf unsere Anna«, rief er. »Langfristig lag sie wohl auch falsch in der Annahme, ihr Sohn würde ihr alles verzeihen. Aber wenigstens war es ihr Sohn, nicht wahr, Alois? «
    Konrad Dallmanns Mobiltelefon klingelte erneut.

47
    I st Ihnen nicht gut?«, fragte Skrowka mitfühlend.
    Anja richtete sich wieder auf und schüttelte den Kopf. »Es ist einfach alles etwas viel auf einmal …«
    Sie trat von der Pinnwand zurück und setzte sich.
    Skrowka betrachte sie sorgenvoll. »Sie sind ja ganz blass. Möchten Sie einen Schluck Wasser?«
    »Ja gern. Es tut mir leid.«
    Skrowka verließ den Raum. Anja hatte das Gefühl, ihr Kopf würde im nächsten Augenblick zerspringen. Lukas’ Großmutter! Engelchen! Eine gesuchte Kriegsverbrecherin. Wusste er davon? Und Rupert? Die ganze Familie Gollas? Natürlich wussten sie das!
    Skrowka kam zurück und reichte ihr ein Glas Wasser. Sie trank es langsam aus, stellte es vor sich auf dem Tisch ab und begann die vor ihr ausgebreiteten Papiere übereinanderzuschichten.
    »Sie haben mir wirklich sehr geholfen, Herr Skrowka.«
    »Dafür sind wir schließlich da«, erwiderte er ernst. »Und wie gesagt, das hier ist keine Einbahnstraße. Unsere Arbeit lebt von Leuten wie Ihnen, die sich für diese Vergangenheit interessieren und die uns Dinge zutragen, an die wir nicht so ohne weiteres herankommen.« Er hatte es gesagt. Er erwartete natürlich, dass sie ihm mehr über die Herkunft ihres Fundes erzählte. Und nichts wäre ihr jetzt lieber gewesen. Aber sie konnte nicht.
    Sie musste erst mit Lukas sprechen. Vielleicht hatte er keine Ahnung. Oder er wusste es. Wie dem auch sei: Sie musste mit ihm reden. Vor allem nach der letzten Nacht. Aber wie nur? Sollte sie ihm sagen, was sie bereits wusste, und seine Reaktion abwarten? Aber wie um alles in der Welt sollte sie das tun? Und da war noch so viel Ungereimtes. Wie war es möglich, dass diese Frau fünfzig Jahre lang unbehelligt nur ein paar Kilometer vom Ort ihrer entsetzlichen Verbrechen entfernt gelebt hatte? Es war doch kaum vorstellbar, dass niemand etwas davon gewusst haben sollte.
    Sie spürte, dass Skrowka sie musterte.
    »Ist diese Johanna Ruschka auch gesucht worden?«, fragte Anja. »So wie dieser Baumgartner.«
    »Das weiß ich nicht. Ich glaube aber nicht. Engelchen wurde bei den Ehemaligentreffen immer wieder von den Häftlingen erwähnt, aber ihr richtiger Name wurde erst vor ein paar Jahren bekannt. Und das Foto ist erst vor kurzem aufgetaucht. Unwahrscheinlich, dass in Bayern nach ihr gefahndet wurde. Es ist ja schon schwierig genug, nach Personen zu suchen, über die Aktenmaterial existiert. Über Engelchens Untaten gab es jahrzehntelang nur Zeugenaussagen von ehemaligen Häftlingen. Sie wiederzufinden dürfte so gut wie unmöglich sein. Wenn sie überhaupt noch lebt.«
    »Und die Schießerei, die Sie erwähnt haben? Das Eifersuchtsdrama?«
    »Das haben auch nur Häftlinge kolportiert. Aber die Aussagen sind recht deckungsgleich, so dass wohl ein Kern Wahrheit dran ist.

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