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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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nächste ambulante Notaufnahme. Als sie dort eintraf, war es fast elf. Der diensthabende Arzt untersuchte sie, erkundigte sich nach dem Unfallverlauf und schickte sie zum Nähen. Außerdem riet er ihr dringend zu einer Tetanusauffrischung, die er ihr auch gleich verabreichte. Danach nahm sie im Wartezimmer Platz und wartete auf den Chirurgen.
    Außer dem Weidener Tagblatt lag nichts Lesbares dort herum. Die alten Zeitungsseiten, die sie in den Kartons gefunden hatte, kamen ihr in den Sinn. Die Zeitung sah heute anders aus als 1979, aber die Schlagzeilen ähnelten sich. Gerhard Schröder hatte heute gesagt, dass die Gemeinschaftswährung Arbeitsplätze schaffen würde. Bill Clinton hatte bestritten, dass er die Unwahrheit gesagt habe. Keine der Meldungen war auch nur ansatzweise von Interesse für sie. Bis auf eine.
EU-Kommission stellt Entwurf
für neuen Regionalfonds vor.
Brüssel dpa/Reuters: Die EU-Kommission hat am Montag im Rahmen einer öffentlichen Anhörung in Brüssel die neue Ausrichtung der Regionalförderung für die nächsten fünf Jahre vorgestellt. Das Gesamtvolumen der zur Verfügung stehenden Mittel liegt bei 195 Mrd. ECU. In Deutschland fließen die Mittel fast ausschließlich in die neuen Bundesländer.
(S. 8, siehe auch Kommentarseite: »Bayern geht leer aus«)
    Anja ließ die Zeitung sinken, lehnte den Kopf gegen die Wand, streckte ihr schmerzendes Bein aus und schloss die Augen. Warum hatte Lukas sie angelogen? Sie hatte seine Worte noch recht genau in Erinnerung. Die ganze Sache ist verschoben worden. Ganz kurzfristig. Ich bin schon am Sonntag wieder zurückgeflogen. Und auch Ruperts Worte klangen ihr noch im Ohr. Deshalb halte ich lieber mein dummes Maul. Damit ich nicht so einen unerträglichen Scheiß reden muss wie mein Arschloch von Bruder.
    »Frau Grimm«, unterbrach sie die Stimme einer Krankenschwester. »Kommen Sie bitte.«

29
    E twas hatte sich verändert an diesem Morgen. Grossreither stellte Fragen über Fragen. Wo hatte sie die Bache geschossen? Wann? Auf welche Entfernung? Es stand alles in ihrem Bericht. Aber aus irgendeinem Grund wollte er es noch einmal aus ihrem Mund hören, sei es, um zu kontrollieren, dass wirklich alles regelgerecht abgelaufen war, sei es, weil er seine Zweifel an ihren Fähigkeiten ausgeräumt, sei es, dass er sie bestätigt sehen wollte.
    Der Mann war ihr in seiner ganzen bärbeißigen Art zu fremd, als dass sie sich einen Reim auf seine Stimmungsschwankungen hätte machen können. Sicher war: Sie hatte das geschossene Stück ordentlich abgeliefert. Der Veterinär war schon da gewesen, hatte Proben für die Untersuchung auf Trichinen und andere Parasiten entnommen und Grossreither gegenüber lobend bemerkt, dass der Jäger den Zwerchfellpfeiler hatte stehen lassen.
    Was Grossreithers Gesichtsausdruck allerdings zu bedeuten hatte, als er Anja diese Anerkennung zutrug, war schwer zu sagen. Echte Freude oder Zufriedenheit darüber drückte seine Miene jedenfalls nicht aus, sondern eher eine Art verdrießlichen Stolz.
    »Hören Sie, Frau Grimm«, sagte er dann. »Das haben Sie gut gemacht. Bravo. Saubere Arbeit. Und wenn ich Sie gestern vielleicht ein wenig barsch angefahren habe, tut es mir leid.«
    »Kein Problem«, antwortete sie und schaute voller Unbehagen an ihm vorbei an die Wand.
    Er ging zur Tür, verließ den Raum jedoch nicht, sondern schloss die Tür, kehrte zum Schreibtisch zurück, legte seine Post darauf ab und setzte sich ihr gegenüber.
    »Meinen Sie nicht«, begann er, »Sie hätten mir das mit Ihrem Vater erzählen sollen, als Sie hier angefangen haben?«
    »Warum?«, antwortete sie leise. »Erzählen Sie jedem Ihre Lebensgeschichte?«
    »Na hören Sie mal«, gab er entrüstet zurück. »Das ist ja wohl etwas anderes. Ich hätte Sie doch niemals in den Leybachforst geschickt, wenn ich gewusst hätte, dass Sie die Tochter von diesem Lehrer sind, der hier verunglückt ist.«
    »Eben. Vielleicht habe ich es ja deshalb nicht erzählt, weil ich keine Sonderbehandlung will.«
    Grossreither verstummte einen Moment. Anja wusste nicht, wohin sie schauen sollte. Die Situation war ihr peinlich. Es fiel ihr immer schwer, über diese Sache zu sprechen, und Grossreither war der Letzte, mit dem sie über ihren Vater reden wollte.
    »Die Gollas und die Leybacher sind jetzt in einer ziemlich blöden Lage. Deshalb reagieren die gereizt, und das bekomme vor allem ich ab. Das ganze Gerede macht die ganz kirre. Deshalb die Beschwerde über Sie. Verstehen

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