Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Ihr über meinen Sohn? Warum wurde er umgebracht?«
»Wollen wir das nicht lieber im Haus besprechen?«
Die trauernde Mutter nickte und bat den Gast herein. Zu zweit durchschritten sie einen Flur, dessen Wände aus den Natursteinen gebildet wurden, die überall in der Stadt verbaut worden waren. Schließlich erreichten sie einen mit dunklem Holz getäfelten Raum. Auf einem Tisch in der Mitte lag der prächtig hergerichtete Leichnam von Sebastian. Man hatte ihm eine reich bestickte Samtjacke angezogen, dazu ein strahlend weißes Hemd mit Rüschen, schwarze Hosen und blank polierte Schaftstiefel. An den vier Ecken des Tisches brannten große Kerzen.
Zu Füßen des Toten kniete Dominikus Vierland und betete. Als Nikolaus und seine Frau hereinkamen, schaute er müde auf. Der junge Mann bekundete sein Mitleid.
Der Schöffe stand langsam auf und fragte leise: »Habt Ihr sie?«
»Ihr meint die Mörder? Es tut mir von Herzen leid, aber wir suchen sie noch.«
Vierland nickte nur sacht. »Ich weiß, dass Sebastian Fehler gemacht hat. Einige Leute meinen sogar, er hätte die Strafe verdient. Aber muss man ihn deswegen wie einen räudigen Hund abstechen?«
Nikolaus schüttelte den Kopf. »Ein Mord ist immer etwas Verabscheuungswürdiges.«
»Warum hat man das also getan? Könnt Ihr mir das erklären?«
»Weil jemand Angst hatte, dass Euer Sohn etwas verraten könnte. Für solche hat das Leben eines Menschen wenig Wert.«
Der Schöffe blickte auf seinen Sohn: »Habe ich versagt?«
»Bitte, Dominikus!«, unterbrach ihn seine Frau mit zitternder Stimme. »Das haben wir doch schon oft genug besprochen.«
»Ich bin sein Vater, ich hätte ihm helfen müssen.«
Die Frau begann laut zu schluchzen und wandte sich ab, ihren Tränen freien Lauf lassend.
Nikolaus fühlte sich inmitten dieser Trauer unwohl. Er wollte so schnell wie möglich hier heraus. »Wer waren seine Freunde? Vielleicht finden wir darüber seinen Mörder?«
»Seine Freunde?« Dominikus Vierland wandte sich wieder seinem Gast zu. »Darf ich feige Mörder als seine Freunde bezeichnen? Dann würde ich meinen geliebten Sohn auf die gleiche Stufe wie diesen Abschaum stellen. Dann wäre er auch ein Mörder. Und das glaube ich nicht. So schlecht war er nicht. Niemals.«
Nikolaus räusperte sich peinlich berührt. »Das glaube ich auch nicht. Sebastian belastete es ja schon, dass er nur losen Kontakt mit diesen Verbrechern hatte. Deshalb wollte er ja auch alles offenbaren, was er wusste.«
Vierland nickte zustimmend.
»Wisst Ihr denn, mit wem Euer Sohn ... äh ... zu tun hatte?«
Der Schöffe überlegte einen Moment. »Vor ein, zwei Jahren war er öfter mit Konstantin Junk zusammen. Mit wem er sich in den letzten Monaten traf, weiß ich nicht. Er ging Gesprächen darüber aus dem Weg.«
»Habt Ihr eine Vermutung, warum?«
»Ist das nicht offensichtlich?« Die Stimme war plötzlich lauter geworden. Man hörte den Groll sehr deutlich heraus. »Ich hätte diese perfiden Straßenräuber genauso verurteilt und ihm verboten, weiterhin mit ihnen etwas zu tun zu haben.«
Nikolaus hob verwundert die Augenbrauen. »Ihr sagtet: genauso verurteilt. Hattet Ihr Eurem Sohn schon einmal den Umgang mit jemandem verboten?«
»Moment bitte.« Vierland ging zu seiner noch immer weinenden Frau hinüber und sprach leise mit ihr. Schließlich nickte sie und verließ den Raum. »Sie muss nicht alles mit anhören. Sie leidet schon genug.«
»Natürlich. Das verstehe ich.«
Der trauernde Vater atmete tief durch, als bereite er sich auf eine schwere Beichte vor. »Ich nehme an, Ihr habt schon unseren Schöffenmeister Theodor Junk kennengelernt?«
»Ja.«
»Was haltet Ihr von ihm?«
Nikolaus hielt die Luft an. Was sollte er sagen? Wie offen durfte er sein? Wie konnte er seinen Eindruck so diplomatisch wie möglich beschreiben? »Er erscheint mir sehr geschäftstüchtig und ehrgeizig. Er will Trier zu neuer Blüte verhelfen.«
Plötzlich zuckte ein Lächeln um Vierlands Mund. »Trier zu neuer Blüte? Eher wohl seiner Familie. Das ganze Getue um den Kaiser Konstantin ist doch nur Theater, das ihm die Unterstützung der Stadt und des Rates einbringen soll. Theodor tut nichts, ohne dass es ihm etwas einbringt. Die Idee mit Konstantin dem Großen ist gut – eigentlich schon genial. Der Bischof wird hinausgedrängt, die Basilika wird zur Kaiserpfalz und Trier freie Reichsstadt. Doch wer wird am meisten davon profitieren?« Der Schöffe blickte Nikolaus erwartungsvoll an.
»Theodor
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