Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
konnten nur ein Vater oder eine Mutter.
»Und habt Ihr schon einen Verdacht, wer die Hurensöhne waren, die meinen Sohn ermordet haben?«
»Leider nein. Aber wir haben wenigstens einen fangen können. Vielleicht bekommen wir noch etwas aus ihm heraus.« Nikolaus verschwieg lieber, dass Meuren sich mit einer hanebüchenen Ausrede hatte abspeisen lassen und wenig Energie in die Verfolgung der flüchtigen Verbrecher steckte. Der war hinter Junk her wie der Teufel hinter der Seele.
Der junge Mann musste an Gesines Erzählung von Theodor Junks erster Frau denken. Sie war unfruchtbar gewesen und eines Nachts die Treppe hinuntergestürzt. War dies auch ein vertuschter Mord gewesen? »Entschuldigt bitte, gnädiger Herr Vierland. Kanntet Ihr die erste Frau des Schöffen Junk?«
»Augusta.«
»Sie soll auch so tragisch umgekommen sein.«
Vierland nickte wieder. Langsam ging er am Tisch entlang und strich zärtlich über den Toten. »Theodor hat sie auf dem Gewissen.«
Nikolaus schlug sich mit der rechten Faust in seine linke Hand, dass es laut klatschte. Hatte er also richtig gedacht! Junk hatte seine Frau umgebracht, weil sie ihm keinen Nachfolger gebären konnte. Deshalb musste sie aus dem Wege geräumt werden, um einer jüngeren, hoffentlich fruchtbareren Frau Platz zu machen.
Der Schöffe wandte sich um. »Freut Euch nicht zu früh. Theodor war nicht im Haus, als sie starb.«
»Ach?« Das hämische Grinsen des jungen Mannes erstarb sofort.
»Es war tatsächlich so etwas wie ein Unfall. Augusta war nämlich betrunken. So wie ich hörte, war sie das in der Zeit vor ihrem Tod immer öfter. Theodor Junk ließ sie ständig spüren, dass sie eine Versagerin war, weil sie keine Kinder bekam. Er warf ihr sogar vor, selbst dafür zu sorgen, dass sie nicht schwanger wurde. Seine Gemeinheiten und seine Gehässigkeiten müssen schrecklich gewesen sein. Sie versuchte, ihre Probleme in Wein zu ertränken. So war Augustas Tod ein selbst verschuldeter Unfall. Aber Theodor hat sie erst dazu getrieben. Er hat sie ganz eindeutig auf dem Gewissen.«
Nikolaus war sich plötzlich bewusst geworden, welch eine Abneigung er in den letzten beiden Tagen gegen den Schöffenmeister entwickelt hatte. Er musste aufpassen, dass diese persönlichen Empfindungen nicht seinen Blick auf die Tatsachen trübten. Sonst würde er sich genauso in etwas verrennen wie der Dompropst. Er wollte diesen ungeliebten Auftrag so schnell wie möglich abschließen. Obwohl er zugeben musste, dass sein Ehrgeiz inzwischen geweckt worden war, das Geheimnis um den Tod des Baumeisters zu lüften.
»Kann ich Euch sonst noch eine Frage beantworten?« Dominikus Vierland schreckte Nikolaus aus seinen Grübeleien auf.
»Ihr habt mir schon mehr gesagt, als ich erwartet hatte. Obwohl mir ein Hinweis auf die Freunde Eures Sohnes lieber gewesen wäre. Aber ich werde weitersuchen. Das verspreche ich Euch.«
Der Schöffe nickte. Nach einem letzten Austausch von Höflichkeiten führte er den Gast hinaus und wünschte noch einmal viel Erfolg bei der Suche nach Sebastians Mördern.
Nikolaus’ Gedanken schwirrten wild durcheinander. Helena war also eine uneheliche Tochter, die an einen dahergelaufenen Meister verscherbelt worden war. War Herrmann Albrecht die Herkunft verraten worden? Und war Buschfeld eine Wiedergutmachung angeboten worden? Junk hatte seine Frau wegen des Fehltritts wahrscheinlich umgebracht. Aber wie konnte man das jetzt, nach all den Jahren, noch beweisen? Sebastian und Konstantin waren Vettern und früher einmal befreundet gewesen. Doch wer waren Sebastians aktuelle Kumpane? Der Schöffenmeister war ein skrupelloser Geschäftsmann, der bei allem, was er tat, immer seinen Profit im Auge behielt. Welchen Vorteil hatte er durch den Tod des Zimmermannsmeisters?
Nachdenklich schlenderte Nikolaus zurück in Richtung Markt.
Jakob Monheim
Ganz unbewusst hatte sich der junge Jurist am Markt links gehalten und war in die Brotstraße spaziert. Er war am Haus von Theodor Junk vorbeigegangen, immer weiter in Richtung Stadttor. Die Häuser standen hier nicht mehr so nah zusammen, einige waren neueren Datums, dafür aber nicht so hoch und so prächtig wie jene, die näher am Markt standen. Die Stadt hatte noch genug Platz, in diese Richtung zu wachsen.
Kurz vor der Stadtmauer befand sich rechter Hand ein umfangreicher Besitz. Um einen Hof standen ein Wohnhaus und drei Ställe oder Scheunen. Das genau an der Straße gelegene Wirtschaftsgebäude machte den Eindruck, als
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