Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
die Leute mich nicht unterstützen wollen?« Mit Schrecken dachte er an den Mord in Manderscheid. Damals hatte er versucht, als nicht willkommener Fremder einen Mörder zu finden. Hatte sich ungefragt in die Angelegenheiten der Menschen eingemischt und dabei fast sein Leben verloren. Dort war seine Einmischung freiwillig gewesen, weil er überzeugt gewesen war, dass die falsche Person in Verdacht geraten war. Jetzt wurde er gezwungen, genau das Gleiche wieder zu tun. Aber diesmal war er sich sicher, dass es nichts zu finden gab – keinen Mörder, keine Schurkerei.
Von Meuren bemerkte nicht den verzweifelten Gesichtsausdruck seines Gegenübers. »So ist nun Euer Auftrag. Endlich könnt Ihr Euer Verhandlungsgeschick unter Beweis stellen. Macht den aufmüpfigen Städtern bewusst, wer hier das Sagen hat. Dann werdet Ihr auch die nötigen Auskünfte bekommen.«
»Aber ...«
»Was?« Auf der Stirn des Dompropstes erschienen plötzlich Zornesfalten.
Nikolaus verbeugte sich lieber schnell und antwortete gequält: »Danke für den Auftrag.«
»Na also.« Von Meuren entspannte sich wieder und grinste breit. Er hatte gewonnen. Auch so ein Besserwisser konnte ihm nicht in die Suppe spucken.
Der junge Mann räusperte sich verlegen und bat mit belegter Stimme: »Hochverehrter Herr, könntet Ihr mir gnädigerweise noch ein paar Auskünfte über den Meister Herrmann Albrecht geben? Da Ihr die Stadt und die Bewohner schon viel länger kennt, könnt Ihr mir bestimmt wertvolle Hinweise geben, damit ich die Nachforschungen so schnell wie möglich beginnen kann.«
Der kleine Geistliche hatte seinen Willen bekommen und den jungen Schnösel von diesem unnützen Auftrag des Erzbischofs abziehen können. Warum sollte er ihm denn nicht ein wenig auf die Sprünge helfen? Meuren kratzte sich am Kinn und überlegte kurz. »Er ist ... oder besser war Zunftmeister der Zimmerleute. Ob Albrecht ein guter oder schlechter Meister war, darüber gehen die Meinungen auseinander. Er hatte zugegebenermaßen ab und zu eigenartige Vorstellungen, wie etwas gebaut werden musste. Dadurch gab es dann auch schon mal Streit mit anderen Zimmerleuten oder seinen Auftraggebern. So wird er vielen als ein unangenehmer Besserwisser in Erinnerung bleiben und als einer, der nie Fehler machte, weil man ihn ja angeblich in wichtigen Punkten im Unklaren ließ. In den letzten Jahren hatte er immer weniger Aufträge bekommen. Von mir keinen einzigen mehr. Also wird es ihm geldmäßig nicht so gut gegangen sein. Bei seiner penetranten Art kann ich mir nicht vorstellen, dass er viele Freunde hatte.«
»Wie ist so jemand an solch eine junge Frau gekommen? Der äußeren Erscheinung ihres Vaters nach zu urteilen muss es ein wohlhabendes Haus sein.«
Von Meuren zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das denn wissen? Aber gewundert hat’s mich auch. Noch eigenartiger ist, dass der Albrecht bei seinem Schwiegervater Theodor Junk hoch verschuldet sein soll.«
»Vielleicht soll die Mitgift dagegen gerechnet werden.«
»Und welchen Sinn soll das haben?«
Darauf hatte Nikolaus auch keine vernünftige Antwort.
Der Dompropst sprach ungerührt weiter: »Theodor Junk ist der Schöffenmeister und der bei Weitem reichste und einflussreichste Schöffe in der Stadt. Immer wieder versucht er, Trier vom Kurfürsten zu lösen und zur freien Reichsstadt zu machen. Er intrigiert, wo er nur kann. Er träumt von Verhältnissen wie in Köln, Hamburg oder Lübeck. Er will den Glanz wiederherstellen, wie er vor tausend Jahren war, als römische Kaiser hier regierten.« Er tippte sich verächtlich an die Stirn. »Junk ist ein glühender Verehrer von Konstantin dem Großen 14 . Seinem ältesten Sohn gab er deshalb den Namen Konstantin. Den zweiten benannte er nach des Kaisers ältestem Sohn Crispus 15 . Junks älteste Tochter ist Fausta, nach Konstantins zweiter Frau 16 . Die ist nach Koblenz verheiratet. Dann die Euch bekannte, frisch verwitwete Helena. Die hat ihren Namen von Konstantins Mutter 17 .«
Nikolaus war erschlagen. Der Dompropst kannte sich ja ausgesprochen gut in den Familienverhältnissen der Familie Junk aus. Er musste wohl schon öfter mit der Familie zu tun gehabt haben.
Meuren fuhr fort: »Theodor Junk hat unseren Kaiser Sigismund 18 schon mehrfach eingeladen. Zum Glück ist er bisher noch nie gekommen. Denn er hat mit anderen Schöffen den Plan, aus der Konstantinbasilika eine große Kaiserpfalz zu machen. Er meint auch ganz frech, unser hochverehrter Kurfürst solle
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