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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Haar zu erkennen. Niklas beugte sich mit angehaltenem Atem über Winkler. Kein Zweifel, er war es.
    Er setzte die Mündung seiner Waffe auf Winklers Hinterkopf und drückte in schneller Folge dreimal ab. Die Kugeln traten im Gesicht wieder aus und schlugen dumpf in die Matratze. Rote und graue Flecken sprenkelten die Tapete. Der Körper des Mannes zuckte ein, zwei Sekunden lang, dann lag er still.
    Im Türrahmen erschien eine Gestalt. Der Priester stieß ein überraschtes Keuchen aus, warf sich herum und verschwand. Niklas hörte seine Schritte im Korridor und auf der Treppe zur Sakristei. Als er ihm folgte, tat er es nicht mit übertriebener Eile. Kein Grund, ihn einzuholen.
    Stattdessen blieb er in der Verbindungstür zur Kirche stehen, folgte dem fliehenden Mann erst mit Blicken, dann mit dem Lauf seiner Waffe und drückte ab. Die Kugel schlug in den Rücken des Priesters und warf ihn drei Schritte weit nach vorne. Er prallte mit der Schulter gegen eine steinerne Säule, überschlug sich und landete mit Rücken und Hinterkopf auf dem Boden. Das gedämpfte Geräusch des Schusses sprang zwischen den hohen Wänden hin und her wie ein Squashball.
    Die Augen des Priesters waren weit aufgerissen, als Niklas neben ihn trat. »Bitte …«, keuchte der Geistliche. Der Schmerz drohte seine Worte zu verschlucken. Er streckte kraftlos seine rechte Hand nach oben, doch sie sank augenblicklich zurück. Ein zweites Keuchen kroch zwischen seinen bebenden Lippen hervor.
    Niklas schoss ihm zweimal in die Stirn, schraubte den Schalldämpfer von der Waffe und steckte beides ein. Er verließ die Kirche durch die Hintertür und drückte sie ins Schloss.
    Als er an dem Papierkorb vorüberglitt, entdeckte er, dass sich das Glimmen erneut entfacht hatte. Er zerdrückte die Glut zwischen den Fingern, huschte dann über den Platz und verschwand unbeobachtet in den kantigen Schatten der Häuser.
    Bis zum Hotel waren es zu Fuß keine fünf Minuten. Die anderen erwarteten ihn in seinem Zimmer. Rochus war aufgebracht, Tomas nervös, und Nadine sagte kein Wort. Alexander, ihr unsichtbarer Begleiter, übernachtete in einer anderen Pension; sie würden ihn während des gesamten Einsatzes nicht zu sehen bekommen.
    Niklas erklärte ihnen den Grund seiner Verspätung und entfachte damit eine Diskussion zwischen Rochus und Tomas, ob man die Entfernung nicht um einen Tag hätte verschieben sollen. Mit der Bitte, diese Frage anderswo und nicht in seinem Zimmer zu klären, warf Niklas sie hinaus. Er war das ranghöchste Mitglied der Gruppe, und niemand widersprach.
    Keine zehn Minuten später klopfte es. Niklas seufzte und ging zur Tür. Er traf keine Vorsichtsmaßnahmen. Niemand hatte ihn beobachtet, und man würde die Toten frühestens am Morgen finden. Kein Grund zur Sorge.
    Nadine lächelte nicht, als er die Tür öffnete. Sie trat ein, noch ehe er sie dazu auffordern konnte, und lehnte sich mit ausdrucksloser Miene und verschränkten Armen an eine Kommode. Er drückte die Tür ins Schloss und sah sie an.
    »Was soll das?«, fragte sie, und ihr Blick wurde dabei um keinen Deut freundlicher.
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Unsinn. Diesen beiden Idioten kannst du vielleicht was vormachen, mir nicht. Wir kennen uns zu gut für solche Spielchen.«
    Er zuckte mit den Schultern, dann nickte er. Sicher. Er trat vor den Spiegel und bemühte sich, die letzten Reste des Make-ups von seinem Gesicht zu entfernen.
    »Warum hast du die Aktion nicht verschoben?«, fragte sie.
    »Du kennst den Zeitplan.«
    »Der Zeitplan schreibt vor, dass wir die nächsten Tage herumsitzen und warten. Kein Einsatz, nicht mal Recherche. Es wäre kein Problem gewesen, unseren Aufenthalt hier um einen Tag zu verlängern.«
    Er rieb mit einem feuchten Tuch über die Schminke unter seinen Augen und fluchte, als ein blasser Schimmer in den Poren hängenblieb.
    »Das Herumsitzen ist ein Warten auf Abruf«, sagte er. »Du solltest eigentlich wissen, wie wichtig es ist, sich daran zu halten.«
    Ein Anflug von Wut legte sich wie ein Schatten über ihr hübsches Gesicht. Durchs Fenster fiel der gelbe Schein einer Straßenlaterne und legte sich als feuriger Schein um ihre rote Mähne.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte sie.
    Plötzlich war sie hinter ihm und zog ihn sanft am Oberarm herum. Mit der Rechten nahm sie das Tuch aus seiner Hand. »Lass mich das machen«, sagte sie. Sie lächelte noch immer nicht, aber ihr Zorn schien sich zu legen.
    Geschickt wischte sie mit dem

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