Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schweigenetz

Titel: Schweigenetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
wiederum Personen stehen, die den Kontakt zu der alten Leitung des Netzes gewährleisten. Zum Bundesnachrichtendienst.« Fenn seufzte. »Sie sehen, das Ganze ist eine recht vertrackte Angelegenheit.«
    Carsten schüttelte verständnislos den Kopf. »Und was habe ich damit zu tun? Ich war nicht mal bei der Bundeswehr.«
    Fenn stieß ein schallendes Lachen aus. »Haben Sie noch einen Augenblick Geduld. Sie kennen jetzt die eine Seite. Als Nächstes sollten Sie die andere kennenlernen.«
    »Das sind Sie«, stellte Carsten fest.
    Fenn nickte. »Ich und ein paar andere ehemalige Mfs-Agenten. In unserem Besitz befinden sich Unterlagen, die all das, was ich Ihnen erklärte, bis ins Detail nachweisen. Um einem Skandal zu entgehen, hat man das frühere Schweigenetz als inoffizielle Handlanger auf uns angesetzt. Nawatzkis Aufgabe ist es, uns auszuschalten und die Beweise sicherzustellen.«
    »Wie sind Sie an diese Unterlagen gekommen?«
    »Das braucht Sie im Augenblick nicht zu interessieren. Vielleicht erfahren Sie es später.«
    »Demnach befinden Sie sich auf der Flucht vor Nawatzki und seinen Leuten«, sagte Carsten.
    »Wir verstecken uns vor ihnen. An einem geheimen Ort, den sie mit großer Sicherheit nie entdecken werden.«
    »Haben Sie versucht, zu verhandeln?«
    »O ja, natürlich.« Fenns Stimme klang plötzlich bitter. »Es gab ein Treffen in Budapest. Nawatzki war dabei, Michaelis, ich selbst und noch einige andere. Man versuchte uns auszutricksen. Es endete damit, dass einer meiner Männer erschossen wurde und wir anderen die Flucht ergriffen. Seitdem jagen sie uns gnadenlos. Einige, die nicht bereit waren, gemeinsam mit uns unterzutauchen, haben sie bereits gefunden und getötet.«
    Carsten erinnerte sich an die Morde aus Sebastians Unterlagen. Er fragte Fenn danach.
    »Das waren unsere Leute. Alles Menschen, die Nawatzki töten ließ. Dieser Konflikt eskaliert. Mit den Morden wollen sie uns aus der Reserve locken.«
    »Wie viele sind Sie noch?«
    »Ein halbes Dutzend. Männer und Frauen.«
    »Und Sandra gehört dazu?«
    »Ja. Jetzt wird Ihnen einiges klar, nicht wahr?«
    Carsten nickte betroffen. »Sie wurde schon als Kind ausgebildet. Diese Sportschule, die sie besuchte, war in Wirklichkeit etwas anderes.«
    »Ja«, sagte Fenn. »Ein Trick der ehemaligen DDR-Regierung. Auf einigen dieser Sportschulen wurden die Schüler in eine dem Staat genehme Richtung gedrillt. Das mag für Sie albern klingen, aber auf uns übte das damals einen enormen Reiz aus. Sandra ist ihm genauso erlegen wie ich und viele, viele andere.«
    »Und ihr Tod?«
    »Ist das nicht naheliegend? Sie verschwand von der Bildfläche, um verdeckt arbeiten zu können.«
    »Aber was war mit ihren Briefen? Dem Wechsel der Schrift?«
    Fenn schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nicht jetzt. Sie wollten doch wissen, wie Sie selbst in diese ganze Sache geraten sind, oder?«
    Carsten nickte.
    »Im Grunde eine simple Rechnung«, erklärte Fenn. »Nawatzkis Leute hatten Sandras Namen, konnten sie selbst aber nicht ausfindig machen. Ihre Suche blieb erfolglos. Also durchwühlten sie die alten Akten und stießen auf ihren früheren Freund aus dem Westen – auf Sie! Erinnern Sie sich an die Überprüfung, der Sie damals unterzogen wurden? Beim BND war eine Liste zukünftiger Mfs-Mitarbeiter aufgetaucht, auf der auch Sandras Name stand. Eine Routine-Überprüfung dieser Personen ergab, dass Sie Kontakt zu Sandra hatten. Deshalb geriet auch Ihr Name mit in die entsprechenden Akten. Diese wiederum wanderten später aus den Archiven des BND in die Hände Nawatzkis. Sie können sich seine Freude vorstellen, als ihm klar wurde, dass es da einen Jugendfreund gab, den man problemlos als Köder einsetzen konnte. Noch dazu, wo sich dieser als arbeitsloser Journalist herausstellte, den man auf sehr glaubwürdige Art und Weise im eigenen Verlag unterbringen konnte.
    Nawatzki schickte Sie hierher, damit Sie Sandras Spur aufnahmen. Ihnen sollte gelingen, was seine Leute nicht geschafft hatten: Sandra wiederzufinden. Er sorgte dafür, dass Michaelis Sie auf Schritt und Tritt überwachte. Früher oder später hätte es einen Kontakt gegeben – von Ihrer oder von Sandras Seite aus –, und damit hätten Sie Nawatzkis Leute geradewegs zu uns geführt. Eigentlich sehr clever.«
    Carsten starrte ihn regungslos an. In der plötzlichen Stille hörte er überdeutlich das Fauchen des Windes, der um die Mauern des Denkmals strich. Endlich begriff er. Deshalb das großzügige Angebot.

Weitere Kostenlose Bücher