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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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hatte, als wir gemeinsam mit dem Bandschleifer über die Schwellen gerobbt waren. Also knarrten die Dielen, weil sich das Holz zusammenzog, denn das Küchenfenster war kaputt, eiskalte Luft strömte herein, ich hatte die Tür zum Schlafzimmer nicht geschlossen, also kühlte auch das Schlafzimmer aus.
    Hatte ich die Tür nicht vielleicht doch geschlossen?
    Meine Finger berührten den Badschlüssel. Ich drehte langsam, das Schloss klackte ganz zart, ein Geräusch, das ich sonst nie wahrnahm. Behutsam stieß ich die Tür auf. Warum zum Teufel lag über allem dieser dicke, schwarze Teppich aus Dunkelheit? Bislang hatte es mich nie gestört, dass nachts nicht ein Fünkchen Licht da draußen im Nichts aufblitzte. Auch das zarte Glimmen der verschneiten Landschaft beruhigte mich nicht.
    Wie hatten die Leute vor der Elektrifizierung gelebt? Kurz sehnte ich mich nach München, in das Zimmer in der Hohenzollernstraße. In der Stadt war es nie dunkel. Hier draußen in meiner Hügelfalte herrschte eine andere Zeit.
    Ich stand im Schlafzimmer. Auf meinem Bett lag irgendwo das Buch, das ich gerade las. Shanghai Baby. Nur ein Taschenbuch, aber besser als nichts. Meine freie Hand tastete über das Bettzeug. Fand das Buch. Im Werfen war ich ganz gut. Eiseskälte herrschte im Zimmer. Ich zog die Schultern hoch.
    Im Schlafzimmer war niemand. Auch nicht in der Küche. Ich hatte nicht den Nerv, in mein Arbeitszimmer reinzuschauen. Tastete mich am Sofa vorbei, berührte den Fernseher. Ich machte kein Licht, wollte von außen nicht gesehen werden. Langsam pirschte ich mich an der Wand entlang zum Eingang. Stolperte über meine Stiefel, trat in die Wasserlache, die sich unter den Schuhen gebildet hatte. Jetzt auch noch nasse Socken, wo es im Haus so kalt war, dass man es als Tiefkühltruhe benutzen konnte! Ich drückte auf den Schalter für die Außenbeleuchtung. Sie flammte auf, gelb, beruhigend. Ich presste mein Gesicht gegen das Fensterchen neben der Haustür. Nebelfetzen strichen ums Haus wie durchsichtige Wölfe. Ich sah gelbe Lichtkreise auf dem Schnee, Flocken, die um die Lampen wirbelten. Warum hatte ich nicht darauf geachtet, ob der dritte Wagen weitergefahren war?
    Motorengeräusch klang von Ohlkirchen herüber, und ich flehte zu den Engeln, dass es Keller sein möge. Ein dunkler Volvo fuhr vor. Mein Telefon klingelte.
    »Ich stehe vor Ihrem Haus, Frau Laverde.«
    »Willkommen auf dem platten Land«, antwortete ich.
    Er stieg aus, schaute sich prüfend um und betrachtete den schneebedeckten Boden, bevor er stracks auf die Eingangstür zulief. Er trug nur sein Cordsakko, keinen Mantel. Sein Gesicht sah müde aus. Ich riss die Tür auf und versteckte Telefon und Shanghai Baby hinter meinem Rücken.
    »Guten Abend«, sagte er und nickte mir zu. Schob sich an mir vorbei in die Küche und fragte: »Ist alles in Ordnung?«
    Ja, Herr Kommissar, sofern ich von dem Loch im Fenster absehe, von dem Stein, der auf den Küchenfliesen ruht und der Panik, die in meinen Eingeweiden kreist, ist alles im grünen Bereich.
    »Schalten Sie das Licht an.«
    Ich tat, was er sagte, froh darüber, dass jemand das Heft in die Hand nahm. Verstohlen legte ich Buch und Telefon weg. Keller ging in die Hocke und betrachtete den Stein. Hob den Kopf, schaute auf das Loch in der Scheibe. Schließlich packte er den Stein samt Drohbotschaft in einen Plastikbeutel.
    »Sie haben doch sicher eine Digitalkamera?«, fragte er.
    »Ich hatte mal eine.«
    »Ach ja!« Er zückte sein Handy. »Dann muss es so gehen.« Er lichtete das zersprungene Fenster ab. »Wir sollten zuerst das Loch abdichten. Es ist kalt wie in der Tundra bei Ihnen.«
    Ich ging ins Arbeitszimmer, und kam mit Klebeband, dem Karton von ›Johnson Klein Digitaltechnik‹ und ein paar alten Zeitungen zurück. Keller hatte mittlerweile zwei Müllsäcke aufgetan, und gemeinsam verklebten wir das Loch. Ich sah seine Hände dicht vor mir. Gepflegte Hände mit sorgfältig gefeilten Nägeln und dunklen Härchen auf dem Handrücken.
    »Zeitung isoliert einigermaßen«, sagte Keller. »Drehen Sie die Heizung hoch. Übrigens«, er schaute mich mit undurchdringlichem Ausdruck an, »Sie bluten im Gesicht.«
    Ganz automatisch hob ich den Arm und fuhr über meine Wangen.
    »Warten Sie mal.« Er trat ganz nah an mich heran. Ich roch sein Rasierwasser, außerdem Waschmittel und Weichspüler. Das ganze Durcheinander machte mir ein ungutes Gefühl. Er nahm meinen Kopf in seine Hände und drehte mein Gesicht zum Licht. Ich

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