Schweigfeinstill
legte auf und summte ›It’s so nice to have a man around the house‹. Della Reese hatte einfach recht.
17.
Andy Steinfelder steht hinter der Gardine und beobachtet die Straße. Er hat Keas Wagen kommen sehen und sich gefreut. Hat sich mit dem Kaffeekochen beeilt, denn er weiß, dass seine Ghostwriterin gerne Kaffee trinkt, schwarz wie die Nacht, so drückt sie es aus und lacht dabei.
Seit halb sieben ist Andy wach, hat sich geduscht und alleine angezogen. Das mit dem Arm ist immer noch eine Hürde, er muss Unterhemd, Polo und Pulli umständlich über den lahmen Arm streifen, außerdem kann er sich mit einer Hand schlecht die Hosen hochziehen, vom Socken anziehen gar nicht zu reden. Das sind die kleinen Probleme, die sein Leben so mühsam machen. Er hat ziemlich deprimiert am Frühstückstisch gesessen, nachdem Gina und Jenny aufgebrochen sind. Gina wollte Jenny unbedingt zur Schule fahren, das macht sie ab und zu, wenn sie ihr schlechtes Gewissen beruhigen will. Andy spürt das genau. Wenn seine Frau erst nach elf heimkommt und Andy sie küssen will, atmet er den Geruch eines anderen. Gina hat keine Ahnung, dass er es weiß. Er ist zwar sprachlos und besitzt nur noch einen halben Körper, aber dämlich ist er deswegen noch lange nicht. Er kann genauso scharf denken wie jeder andere. Schon seit Monaten treibt ihm dieser Geruch nach Orangen zu, nach einem Massageöl, das es im eigenen Haushalt nicht gibt.
Andy wendet sich vom Fenster ab und trägt jedes Teil einzeln zum Tisch, die Kanne, die Tassen, das Milchkännchen, den Zucker. Auch wenn Kea nichts außer Kaffee nimmt. Milch und Zucker gehören dazu, sie vervollständigen das Bild. Gina würde das für pedantisch halten.
Servietten kann Andy nicht falten, also legt er zwei einfach so auf die Kuchenteller. Jenny hat Marmorkuchen gebacken, gestern Abend, während sie auf Gina warteten. Wenn er diesen anderen Mann nur einmal zu Gesicht bekommen würde. Aber Gina ist sehr geschickt, und sie ist schneller als Andy. Sie sprintet aus dem Haus und läuft um die Straßenecke, als sei der Leibhaftige hinter ihr her, nur damit Andy ihr nicht nachkommt. Obwohl das ja jetzt besser ist mit dem Bein.
18.
»Hallo, Andy!« Ich drückte ihm die linke Hand. Daran gewöhnte man sich schnell. Rechts oder links, das war nur eine Konvention. Er sah bedrückt aus. Als ich meinen Kollegblock aus der Tasche zog, seufzte er.
»Arbeit«, sagte er, aber er lachte nicht wie sonst. Ich glaube, wenn er gekonnt hätte, hätte er in diesem Augenblick eine zynische Bemerkung gemacht. Eigenartig, wie viel sich mitteilt, dachte ich, auch ohne Sprache. Da waren irgendwelche Schwingungen zwischen uns, morphische Felder, Informationen, die nicht mit Worten übermittelt wurden.
»Toll, Kaffee! Danke, Andy«, freute ich mich, als ich die Kanne und das Geschirr sah, und ärgerte mich über meinen überbegeisterten Tonfall. Es musste unecht klingen. Schnell schlug ich den Block auf. »Ist es Ihnen recht, wenn wir über Ihre Freunde reden?«
»Moma… Mamo… Mamo… chuchen«, quälte sich Andy. Ich schaute auf den Teller. Tatsächlich stand da ein Guglhupf.
»Marmorkuchen! Hat Ihre Frau den gebacken?«
»Ach!« Andy machte eine wegwerfende Bewegung. »Jenny!« Er schnitt ein Stück ab und bugsierte es geschickt auf meinen Teller. Alles mit links.
»Sie waren Rechtshänder, früher?«, fragte ich. Er nickte. Schaute mich nicht an. Was war da los? Hatte ich ihn bei irgendetwas gestört? Aber Andy ließ sich gern stören. »Mit Jenny haben Sie eine tolle Beziehung, oder?«
Er nickte und lächelte unwillkürlich.
»Das ist eine wunderbare Sache. Mein Vater ist leider schon lange tot.« Ich schaute kurz aus dem Fenster. Sah die Straße und das Tor zur Villa gegenüber, das sich automatisch öffnete. Ein Jaguar glitt aus der Villenzufahrt. Ich selbst dachte selten an meine Kindheit. Befasste mich lieber mit den Erlebnissen anderer. So blieb ich auf neutralem Boden.
»Tut … leid«, sagte Andy.
»Danke. Ich war noch sehr jung, als er starb. Leben Ihre Eltern noch?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nicht.« Es kam nicht rüber, ob sie nicht mehr lebten oder ob er nicht über sie sprechen wollte.
»Sehen Sie eher Ihrem Vater oder Ihrer Mutter ähnlich?«
»Mutter. Mamo… chuchen.«
»Danke. Ich habe noch.« Ich stellte ein paar Fragen zu seinen Eltern, bevor ich die erste Überleitung versuchte. »Und Ihre Schwiegereltern?«
Er wurde rot. Nicht in einem Schub, wie Menschen, die sich
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