Schweigfeinstill
möglich. Ganz jung, aber noch nicht illegal. Sie dreht sich und streckt ihren Hintern Richtung Spiegel. Gefroren hat sie das letzte Mal, aber sie hat sich nichts anmerken lassen. Sie hat gemacht, was man von ihr wollte, und alles hat geklappt, sie ist wirklich gekommen, das war irre, sie hat alles um sich vergessen, als sie ausgestreckt auf den violetten Kissen lag. Valeska wählt sorgsam die Wäsche aus. Zieht Schlüpfer und BH an und übt das Ausziehen. Dreht die Heizung weiter auf. Sie muss dringend Geld zurücklegen, um die Nebenkosten bezahlen zu können. Der Dezember ist kalt, die Fenster schließen schlecht. Mit all diesen Dingen hat sie nicht gerechnet. Aber sie kriegt bald ihr Honorar. Das ist das Tolle: Diese Arbeit macht Spaß und man verdient sogar noch was dabei. Den Job im Labor macht sie nur für das Geld. Aber den anderen, den macht sie zu ihrem Vergnügen. Sie hat es eilig. Wenn sie so drüber nachdenkt, spürt sie, wie schnell die Zeit vergeht. Sie ist nicht mehr lange in den 20ern. Wie es wird mit den Extras, die sie so mag, wenn sie erst mal eine Drei vor der Zahl stehen hat, kann sie nicht beurteilen.
Lächelnd lässt sie sich auf ihr Bett fallen. Die Weihnachtskarten an Eltern und Großeltern sind geschrieben. Sie braucht nur noch Briefmarken. Daheim werden sie es schon verkraften, dass Valeska erst nach Weihnachten kommt. Sie schiebt Dienst über die Feiertage. Marietta bleibt auch in München. Das gibt ihr Sicherheit.
Es ist schon eins. Sie muss langsam los.
21.
Ab und zu wehten Schneeflocken über die Straßen, aber das Wetter hatte sich im Großen und Ganzen beruhigt, als ich nach Thalkirchen steuerte. Wie eine Idiotin balancierte ich den Stadtplan auf meinen Knien und knipste an jeder Ampel das Licht an, um zu prüfen, wie ich fahren musste. Eine Menge Wichser auf vier Rädern zeigten mir durch lautes Hupen, dass sie von der Entdeckung der Langsamkeit noch nichts gehört hatten. Ich sollte bei Johnson Klein nach einem Navigationsgerät fragen, verschob die Entscheidung aber auf später. Viel lieber warf ich meinen grauen Zellen Jenny zum Fraß vor. Die Tochter spionierte der Mutter hinterher, dokumentierte die Örtlichkeiten auf ihrer neuen Kamera und schien das noch nicht einmal sonderbar oder geheimhaltenswert zu finden. Schade, dass Juliane aus weltanschaulichen Gründen in dieser Angelegenheit gerade nicht zu sprechen war.
Ich fuhr ein Stück am Isarkanal entlang, bog einige Male ab und hielt vor der Raiffeisenbank. Schaltete die Scheinwerfer aus. Wartete.
Ich hatte keine Ahnung, was ich hier tat. Es musste mit meiner Verbissenheit zu tun haben. Ein Gedankenblitz scheuchte mir Erinnerungen heran, an Reportagen, für die ich an Grenzübergängen, in Hinterhöfen und Kellern auf irgendetwas gelauert hatte. Eigentlich wollte ich daran nicht mehr denken. Es gab so einiges in meinem Leben, das ich zu den Akten geben wollte. Vielleicht stieg ich deshalb aus, knallte die Autotür zu und ging auf das Haus zu, das ich von Jennys Foto wiedererkannte.
›Böhme‹, ›Schweinsmann‹, ›Öznur‹, ›Parisek‹, ›Lehr‹, ›Kanter‹, ›Sutter‹, ›Stein‹ lauteten die Namen am Klingelschild. Ich fotografierte es mit dem Handy. Dachte kurz an Kommissar Keller, wie er in die Hocke ging und den Stein in der gesprungenen Küchenfliese ablichtete. Verdammt, ich sollte zu Hause sein und den Einbau des neuen Fensters überwachen. Ich hatte mich überhaupt nicht darum gekümmert und alles auf Carlo abgewälzt.
Die Namen sagten mir nichts. Ich klingelte bei Schweinsmann und gab vor, ein Päckchen für Parisek abgeben zu wollen. Der Summer ging. Ich trat ins Treppenhaus. Gelbes Licht glitt über die dunklen Holzstufen. Ich stieg die Treppe hinauf.
»Sind Sie drin?«, rief eine Frauenstimme.
»Alles in Ordnung, danke!«, rief ich und hörte erleichtert, wie die Tür geschlossen wurde. Langsam ging ich die Stockwerke ab und las die Namen neben den Türen. Auf jedem Treppenabsatz zweigten zwei Wohnungen ab. Im zweiten Stock rumorte es hinter der Tür, an der ›Schweinsmann‹ stand. Ich grinste und stieg ganz nach oben, wo links Böhme, rechts Parisek wohnte. Ich machte das nur für den Fall, dass mich jemand beobachtete. Tarnung war klasse, solange man sie beibehielt. Wusste ich aus Erfahrung. Ich machte kehrt und ging die Treppe wieder hinunter. Wenn ich recht hatte, lebte hier Gina Steinfelders Liebhaber. Oder hatte Jenny nur aus Jux ein Haus in Thalkirchen geknipst? Wohl kaum, um ihre
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