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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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und suchte in ihrem Gedächtnis nach einem Namen, wenigstens nach einem Anhaltspunkt. Wenn ihr der Anfangsbuchstabe einfallen würde. Wenn sie doch wüsste, welcher Tag heute war. Null.

     

Donnerstag

36.
    Schon um 7 Uhr am Donnerstagmorgen stand ich unter der Dusche. Normalerweise konnte ich es nicht ab, schon so früh morgens nass zu werden, aber die Nervosität hatte mich nicht schlafen lassen. Hey, nur keine falschen Schlüsse, Keller war in der Nacht heimgefahren, ich hatte mich verbarrikadiert und war meinem Vorsatz, das Snuff-Video nicht noch einmal anzuschauen, treu geblieben. Besonders gut geschlafen hatte ich trotzdem nicht. Zum einen wegen des Zweifels, was Carlo Fidelio betraf. Keller hatte mit ein paar mehr Infos herausgerückt; es schien mir widerlich, dass eine Frau behauptete, Carlo habe sie vergewaltigt, das Szenario gefilmt und ins Netz gestellt. Oder stellen wollen. Der Carlo, den ich kannte, war warmherzig und voller Empathie und machte so was nicht. Wozu auch? Er stand nicht auf Frauen. Um Geld zu verdienen, säuselte mir der Dschinn aus dem Duschschlauch zu. Er war da; drängte sich immer entschlossener in meine Menschenwelt. Ich hatte das schon einmal erlebt. Mittlerweile war ich zu viel herumgekommen, um solche Sachen für Kokolores zu halten. Was für eine Überheblichkeit, die Existenz von Wesen zu leugnen, bloß weil wir noch keine Apparatur erfunden haben, um sie zu filmen und zu vermessen.
    Außerdem beunruhigten mich der Stein, die zerkratzte Autotür und das Snuff-Video. In dieser Reihenfolge. Und sobald ich über Sinn und Motiv dieses Irren nachdachte, der einer Gans den Hals umdrehte, um mich zu ängstigen, musste ich über Andy nachgrübeln, über Ginas Liebhaber, die Wohnung in Thalkirchen und das Model, das in der Nacht mit mir U-Bahn gefahren war. An Schlaf konnte da wirklich niemand denken. Zwar war ich irgendwann eingeschlummert, aber Träume waren aus dem Finstern gekrochen, mit glühenden Gabeln und allerhand anderem Folterkram.
    Ich drehte die Dusche ab und kuschelte mich in mein Badetuch. Ich musste mit Andy sprechen. Er hatte gestern bei mir angerufen, es einmal läuten lassen und aufgelegt. Es gab etwas, worüber er mit mir reden wollte, auch wenn er es sich anders überlegt hatte. Vielleicht war ihm auch Gina dazwischengekommen. Oder seine Tochter.
    Außerdem interessierte mich das Model. Wer war sie, was tat sie im Liebesnest von Gina Steinfelder und dem Typ?
    Bingo, Kea, dachte ich. Endlich denkst du wieder. Ich flitzte barfuß in mein Arbeitszimmer und warf den Rechner an. Wenig später hatte ich, was ich wollte: Es gab keine Telefonnummer zu einem Menschen, der Lehr hieß und eine Wohnung in der Alfred-Schmidt-Straße in Thalkirchen hatte. O. k., warum nicht? Fröstelnd ging ich ins Bad, cremte mich ein, schlüpfte in frische Unterwäsche, Jeans und Bluse. Klar, er besaß dort entweder keinen Telefonanschluss, weil das Apartment nur eine Zweitwohnung war, neutral ausgedrückt. Oder er hatte den Anschluss nicht eintragen lassen. Ich rief mir den Mann ins Gedächtnis. Er hatte elegant gewirkt, aber ich hatte zu wenig gesehen, um den Inhalt seines Geldbeutels einschätzen zu können. Dennoch sollte er nicht allzu arm sein, wenn er sich in München eine zweite Wohnung leistete. Wobei er ja mit einer Wohnungsmaklerin verbandelt war. Ich trug Grundierung auf meine gerötete Haut auf und zwinkerte meinem Spiegelbild zu. Jedenfalls sah ich ausgeruhter aus, als ich mich fühlte.

37.
    Nach Kaffee, Schinkentoast und Heidelbeerjoghurt als Nachspeise sah ich bei meinen Grauen vorbei.
    »Alles o. k. bei euch?« Ich stapfte durch die Dunkelheit und schaute im Stall nach dem Rechten. »Fressen tut ihr ja wie die Scheunendrescher.« Ich schaufelte Futter in den Trog und verabschiedete mich schnell von den beiden. Keine Sentimentalitäten jetzt. Ob Keller herausfand, wo das Snuff-Video herkam? Jedenfalls musste ich ein Vorhängeschloss besorgen, um den Stall fürs Erste zu sichern.
    Der Schnee war beinahe weggetaut, und je näher ich München kam, desto grauer und schmutziger sahen seine Reste aus. Dennoch kein Föhn. Zumindest spürte ich noch keine Vorboten dieses spleenigen Gefühls im Kopf. Bei Föhnwetter drehte ich auf wie ein bekiffter Kobold.
    Die Großstadt spuckte Leute aus, die sich zur Arbeit schleppten. Von der Arbeit nach Hause krochen. Aufbrachen, um sich eine Arbeit zu suchen. Während ich über all die Menschen nachdachte, die in Metallkästen die Straßen

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