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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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zusammenbrechen würde? Ich? Ich hatte nichts mit dem ganzen Krempel zu tun! Ich war nicht seine Krankenschwester, nicht sein Kindermädchen, nicht seine Kummerkastentante. Ich durfte nicht anfangen, mich für sein Elend verantwortlich zu fühlen. Dennoch musste ich Andy irgendwie beruhigen.
    »So ein Gespräch kann man nicht spontan führen. Man muss sich vorher überlegen, worauf man abzielt, verstehen Sie?«
    Ich hatte ›verstehen Sie‹ nur so als Floskel hinzugefügt, aber sie brachte Andy zum Überkochen. Er verstand sie wörtlich. Ich, seine Ghostwriterin, die immer so viel Geduld bewiesen hatte, stellte sein Verständnis infrage. Verdammt, du kannst dich aber auch dämlich anstellen, Laverde!
    Andy stand auf, packte seine Tasse und schleuderte sie mit Wucht zu Boden. Reflexartig drehte ich den Kopf zur Seite und kniff die Augen zusammen. Die Scherben flogen mir um die Ohren.
    »Scheiße!«, schrie Andy mich an. Er schrie nicht aus Frust über sich und seine Situation, sondern er brüllte mich an. Er hatte einen Feind gefunden, einen Prellbock für seine Aggressionen. »Scheißescheißescheiße!«
    Er hinkte aus dem Raum und schlug die Tür mit so viel Elan zu, dass sie wieder aufsprang. Der Knall hallte in meinem Kopf. Ich hörte, dass Andy die Haustür ins Schloss pfefferte, sah ihn über den Gartenweg humpeln und auf die Straße treten. Zuerst rührte ich mich nicht. Später sammelte ich die Scherben auf und legte sie sorgsam auf die Abtropffläche neben der Spüle. Ich wartete, bis der Impuls, Andy nachzulaufen, verklang.

39.
    Das Haus in der Marschallstraße, in dem das Model am Dienstagabend verschwunden war, musste noch ziemlich neu sein, wirkte in seinem betonschweren Grau jedoch traurig und einschüchternd. Ich war mit der U-Bahn hergefahren. Der Alfa parkte noch in Bogenhausen. Mein persönliches Hintertürchen, um vielleicht doch noch mit Jenny zu sprechen.
    Die Kälte fuhr mir durch Mark und Bein, während ich mich vor dem Haus herumdrückte. Die Temperaturen sanken von Stunde zu Stunde, und von den verfrorenen Passanten, die vorbeihasteten, hatte keiner den Nerv, nachzufragen, was ich da eigentlich machte. Ich inspizierte die Tür, die Namensschilder und überlegte, was als Nächstes zu tun wäre. Acht Parteien, wieder mal hatte ich keinen Namen. Als jemand aus dem Haus kam, schlüpfte ich hinein und japste auf bei dem konzentrierten Gestank nach Desinfektionsmittel. Wahrscheinlich nutzten die ihr Treppenhaus als Operationssaal.
    Ich stieg die Stufen hinauf und begutachtete die Türen. Ein Junge von vielleicht zwölf, eingepresst in einen Schneeanzug, stob die Treppe hinauf.
    »Hallo«, sagte ich unbestimmt.
    »Hallo.«
    Er wollte vorbei, aber ich war schneller:
    »Kohle gegen Information?«
    »Was wird’n das!«
    »Wohnt hier im Haus eine alleinstehende junge Frau, sehr hübsch?«
    »Die Valeska?« Der Junge deutete auf das Namensschild vor meiner Nase. ›V. Keim‹. »Die wohnt genau hier. Leicht verdientes Geld.« Er hielt die Hand auf.
    Ich gab ihm zwei Euro. Er hatte wohl mehr erwartet, aber anstatt mich auf eine Diskussion einzulassen, drückte ich die Klingel. Sie klang merkwürdig laut.
    »Dennis?«, rief eine Frau von weiter oben.
    Der Junge verdrehte die Augen und stiefelte die Stufen hinauf, ohne mich auch noch eines Blickes zu würdigen.
    Ich klingelte noch mal und klopfte ungeduldig gegen die Tür. Hinter mir öffnete sich die gegenüberliegende Wohnungstür.
    »Sie wollen zu Valeska?«
    Ich drehte mich um. Ein sehr hübsches junges Mädchen mit einem im Nacken hochrasierten, verwuschelten Bob, Minirock und zerfetzten Strumpfhosen guckte zu mir heraus. Grunge-Look total. Ich nickte.
    »Sie ist nicht zu Hause. Sind Sie die Kollegin aus der Klinik?«
    »Ähm … genau.«
    Das Mädchen musterte mich abschätzend. Na gut, ich wog rund das Doppelte von ihr, aber war das ein Grund, ungläubig das Gesicht zu verziehen? Ich schielte auf das Klingelschild. ›Marietta Soltau‹.
    »Tja, also«, sagte Marietta ratlos und reichte mir einen Umschlag. »Hier. Valeska hat Ihnen die URL von These-Girls aufgeschrieben und ihr Passwort, damit Sie sich ihre Filme schon mal anschauen können.« Zweifelnd sah sie mich an. »Und Sie sind wirklich …?«
    Ich griff nach dem Umschlag, ehe sie ›Piep‹ sagen konnte.
    »Danke, Marietta. Bis demnächst!«
    Ich polterte die Treppen hinunter.

40.
    Meine Finger wärmten sich an dem Becher mit grünem Tee. Noch mehr Kaffee hätte ich kaum ertragen. Am

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