Schweigfeinstill
den Dschinn im Duschschlauch, als ich sagte: »Meine Aufträge sind meine Angelegenheit.«
Müller schlüpfte in Lederhandschuhe.
»Sehen Sie, Ihre geschäftlichen Verpflichtungen sind mir durchaus bewusst. Ich zeige mich erkenntlich.«
Himmel, wollte er mich bestechen? Ich starrte auf die schwarzen Handschuhe und fragte: »Stammt das Snuff-Video von Ihnen?«
Ich bereute es sofort. Sein Gesicht verzog sich zu einer ungeduldigen Grimasse. Als er weitersprach, wurde sein Ton schärfer.
»Herrschaften, den Film bitte.«
Der Beifahrer reichte ein Notebook nach hinten.
»Ich möchte Ihnen etwas zeigen, Frau Laverde.« Müller klappte das Notebook auf und drückte ein paar Tasten. Die Oberfläche baute sich auf, und Sekunden später spielte sich ein Film ab. Eine Frau war auf einer Bank gefesselt. Auf einer Bank, wie sie Spaziergänger gerne als gemütliches Plätzchen zum Ausruhen verwenden. Nur war die Frau nackt, und die Bank und die Landschaft um sie herum waren verschneit. Ins Bild rückte kurz ein Mann mit Kamera auf der Schulter. Er trug einen dicken wattierten Anorak und Handschuhe. Die Handschuhhand stellte einen riesigen Wecker neben die zitternde Frau. »Echtzeit«, sagte eine Stimme. »Zehn Minuten, Mäuschen.«
Die Kamera zoomte weg und filmte den Wind, der sich in den Wipfeln der Bäume fing. Zurück zu der Frau, deren Zähne aufeinander schlugen; ihre Haut schimmerte violett. Jemand brachte einen Vibrator ins Bild. Die Frau wimmerte. Ein vermummter Mann trat auf sie zu, Schnee in den Fäusten. Er rieb die Brüste der Frau damit ab. Sie keuchte auf und winselte wie ein Hund.
»Machen Sie das aus!«, rief ich.
Müller lachte. Er schloss den Deckel des Notebooks.
»Der Markt ist riesig. Wussten Sie das?«
»Männer, die es antörnt, wenn Frauen …«
»… frieren, ja.« Er lächelte selbstgefällig. »Gänsehaut, blaue Lippen, Eisdildos … Wir sind die ersten, die richtig harte Drehs machen. Alles freiwillig. Die Damen wissen, was sie erwartet. Nachher gibt es ein heißes Bad und Glühwein.«
Ich starrte aus dem Fenster. Im Schein der Straßenlaternen sah ich Schneeflöckchen aufblitzen, winzig, zart.
»Zittern in Echtzeit. Wir haben auch Eisbaden im Programm. Wie Sie sich denken können«, er wies aus dem Fenster auf den vorbeirauschenden Verkehr, »ist unsere Produktionszeit auf wenige Monate im Jahr beschränkt. Es sei denn, wir reisen mit unseren Modellen nach Norden. In Skandinavien und Russland expandieren wir gerade.«
In mir stieg ein Brechreiz auf, den ich nur mühsam unterdrücken konnte.
»Wie gesagt, die Teilnahme ist freiwillig. Aber ich hätte keine Skrupel, Ihnen einen kleinen Auftritt zu verschaffen.«
»Lassen Sie mich aussteigen.«
»Sicher. Aber noch nicht gleich.« Er musterte meine verkrampften Hände. Ich spürte, wie er meine Angst genoss. »Frisch heute«, sagte er. »Herrschaften, wie viel Grad haben wir?«
»Minus fünf«, kam es vom Fahrer.
»Minus fünf. Eine gemütliche Temperatur für eine kleine Beachparty«, sagte Müller.
Wir versanken in Schweigen. Der Wagen bog auf die Autobahn. Der Verkehr war sehr dicht. Die Leute wollten dort ankommen, wohin sie aufgebrochen waren, ehe der Schneesturm richtig losbrach. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich Nero vor mir. Wie er sich die Bolognesesoße von den Lippen tupfte. Sich eine Zigarette anzündete. Zum Teufel mit Nero Keller.
»Und?«, fragte ich mit dünner Stimme. Ich räusperte mich. »Was wollen Sie? Dass ich mir vor Angst in die Hosen mache?«
»Och, bei der Kälte pinkeln sie alle«, sagte Müller und klappte sein Notebook wieder auf, aber ich streckte die Hand aus.
»Was – wollen – Sie?«
»Ich denke«, er betrachtete seine Handschuhe, »Sie sind sowieso schon einverstanden?«
Ich sah ihm ins Gesicht. Er war nicht Lehr. Er war nicht der elegante Mann, dessen Hände so gekonnt über Ginas Rücken getanzt waren. Wer war er? Und wie stand er zu Lehr? Hatte Valeska für diese Scheißkerle posiert?
»Warum ist Andy Steinfelders Lebensgeschichte für Sie so riskant?« Ich versuchte, die Wegweiser zu erhaschen. Wir rasten über die linke Spur. Ich schielte auf den Tachometer. Tempo 180.
Müller schwieg.
»Andy Steinfelder hat hundertprozentig nichts mit Pornos zu tun!«
Müller lächelte herablassend. »Hatten Sie denn damit gerechnet?«
Ich? Ich hatte natürlich nicht damit gerechnet, ich hatte …
»Und … Gina Steinfelder?«, fragte ich. Verflucht, ich sollte meinen Mund
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