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Schwein gehabt

Schwein gehabt

Titel: Schwein gehabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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bestätigt haben, dass du was kannst. Dabei schreibe ich jetzt schon besser als die meisten Berufsschmierfinken. Das geht natürlich nicht gegen dich .«
    »Macht ihr auch Aktionen, um die Leute aufzurütteln? Ich kann mir vorstellen, dass man sich auf dem Land nur schwer neuen Gedanken öffnet .«
    »Selbstverständlich. Neulich musste ich den Diskjockey auf einem katholischen Gemeindefest spielen. Da habe ich nur Killing Joke und Hüsker Dü laufen lassen. Es hat zwar keiner getanzt, aber irgendeiner muss ja den Leuten ihre Lebenslüge vor Augen halten .«
    Allmählich ging mir die bornierte Schwatzbacke auf die Nerven.
    »Hier auf dem Land passiert mehrmals man denkt.«
    Kofler blickte mich fragend an. »Wie meinst du das? Eigentlich trifft man nur auf Widerstände, wenn man etwas wirklich Gutes plant. Letztens habe ich versucht, eine Demo...«
    »Ist nicht gestern eine Schülerin umgebracht worden ?«
    Sofort schlug Kofler einen aggressiven Tonfall an. »Ich hätte mir denken können, dass du ein Klatschreport er bist. Ich weiß nichts, rein gar nichts .«
    »Bei aller Freundschaft, das glaube ich dir nicht. Warst du nicht Barbaras Freund? Das hat zumindest dein Jahrgangsstufenleiter behauptet .«
    »Der war doch selbst auf Barbara scharf. Wegen dem hat sie mit mir Schluss gemacht. Seit einer Woche hat sie kein Wort mehr mit mir gewechselt .«
    Kofler bekam feuchte Augen.
    »Und jetzt raus. Ich hab keine Lust, meine Zeit mit einer asozialen Hackfresse zu verschwenden .«
    Das hatte ich vermasselt.
    Von wütenden Flüchen begleitet wurde ich zur Haustür bugsiert.
    »Lass dich hier nicht mehr blicken, du Wichser .«
    Im Wagen fiel mein Blick auf die Uhr: halb elf. Die Rumfahrerei und Fragenstellerei hatten mich ermüdet. Ich beschloss, die Auswertung der Fakten auf den Sonntag zu verschieben und stattdessen an der Matratze zu horchen.

15

    U m neun beendete der Wecker meinen traumlosen Schlaf. Soweit ich mich zurückerinnern konnte, war dies der erste Sonntag, an dem ich ohne dicken Schädel aufwachte. Im vorherigen Leben war ich um diese Zeit erst ins Bett gekommen, aber auf dem Land lebte ich aufgrund der finanziellen Misere gesund. Ich schwor, mir vom ersten Schnüfflerlohn ordentlich einen hinter die Binde zu gießen.
    In einer Dreiviertelstunde musste ich an der Kirche sein. Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, vor dem ersten Orgelauftritt zu proben, doch dafür war es zu spät. Ich kramte den Zettel und das Gesangbuch aus dem Schreibtisch und ging die Lieder durch. Der Nachteil an der Sache war, dass Pfarrer Wilpert eine extrem unleserliche Handschrift besaß und ich einige Nummern nur erraten konnte. Mit den Noten würde ich keine Probleme kriegen; in meiner Band hatte ich kompliziertere Sachen gespielt.
    Ich kleidete mich an, warf der Sau drei Schepper Mehl in den Trog und bereitete den Kaninchen einen leckeren Löwenzahnsalat. Ich selbst verzichtete auf ein Frühstück.
    Zehn Minuten vor Beginn der Messe war ich an der Kirche. Nachdem ich mit Wilpert das Finanzielle geregelt hatte — ich erhielt fünfzehn Euro pro Auftritt — , erklomm ich die Orgelbühne und schaute hinunter. Der Dom war bereits zur Hälfte gefüllt. Etwa hundertfünfzig Personen, hauptsächlich im Rentenalter, warteten auf Wilpert. Ich schaltete die Orgel an. Ein entsetzlicher Ton durchdrang die andächtige Stille. Sofort drehten sich alle um und ein Raunen setzte ein. Mir sollte es egal sein. Ich legte das Gesangbuch auf den Notenständer und blätterte zum ersten Lied.
    Punkt zehn Uhr ertönte eine Glocke. Der Pope und zwei Messdiener wandelten zum Altar, machten eine Kniebeuge und schritten zu ihren Plätzen. Wilpert sagte etwas, aber ich verstand kein Wort. Er musste die Nummer des Liedes angesagt haben, denn alle Leute schlugen das Gotteslob auf. Ich begann mit dem Vorspiel. Die Orgel war besser in Schuss, als ich erwartet hatte. Mit einem Akkord ließ ich das Präludium ausklingen und erhöhte die Lautstärke, um den Leuten zu zeigen, dass nun sie an der Reihe waren. Alle setzten ein und lobten Gott aus vollem Munde. Sie waren nur etwas langsamer, als ich spielte doch bald hatte ich mich auf sie eingestellt. Ich spielte den kompletten Song, alle neun Strophen.
    Nach zwölf Minuten war ich durch. Die nächsten Stücke klappten ebenso reibungslos. Da ich vom Ablauf einer Messe keinen blassen Schimmer hatte, wartete ich immer, bis die Leute ihre Bücher aufschlugen, und ließ dann die Orgel erklingen. Mittlerweile war eine

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