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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Sthers
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kontrastreiches Land, erst der Rücken dieses jungen Mannes, dann die Soldatengesichter, schließlich die verzweifelten Menschen in den Schlangen, die für die Terroristen die Zeche zahlen. Sie nennen sie übrigens »Widerstandskämpfer«. Es ist wie bei der Mauer, alles eine Frage der Terminologie.
    Erinnerst du dich an unser Picknick in Tiberias, direkt am See? Wir mit unseren schrecklichen Plastikschuhen. Um auf den Kieseln laufen zu können. Und die Medusen, weißt du noch? So nannte man sie doch, oder? Die Hitze jenes Tages ist eine meiner ältesten Erinnerungen.
    In Liebe,
    Annabelle

Harry Rosenmerck an Monique Duchêne
    Nazareth, 17. Mai 2009
    Monique,
    unser Mädchen ist angekommen. Es geht ihr gut. Danke.
    Ja, ich denke, ich kann dir die Sache jetzt erklären. Vorher wäre es kompliziert gewesen. Nicht, weil ich Angst davor gehabt hätte, sondern weil ich es wahrscheinlich selbst nicht verstanden hatte. Wie bei einer Filmhandlung, die man erst am Ende des Films begreift.
    Ich erinnere mich sehr genau an diese wenigen Tage. Dennoch sind sie wie ein dunkler Block in meinem Leben. Mit deinem Verdacht liegst du fast richtig. Ich hatte vor, mit einer Frau wegzufahren. Auch sie verheiratet. Wir hatten einander umkreist. Sie hat mir nicht besonders gefallen, aber sie erregte mich unwahrscheinlich. Sie gab mir das Gefühl, begehrenswert zu sein. Und das hatte ich vorher noch nie empfunden. Du hast mich geliebt, also hast du auch Liebe machen müssen. Es war nicht unangenehm, aber ich habe nicht fühlen können, dass du mich mit Haut und Haar verschlingen wolltest, dass du dich in mir auflösen wolltest.
    Wir hatten uns eine gute Ausrede zurechtgezimmert, um eine Nacht und einen Tag lang in einem kleinen Hotel in Yvelines unterzuschlüpfen. Das nichts weiter Interessantes zu bieten hatte als eine Matratze, die nichts von unseren jeweiligen ehelichen Nächten wusste.
    Ihr ältester Sohn bekam eine Mittelohrentzündung. Sie musste absagen. Ich war schon unterwegs gewesen, ich rief an, um ihr zu sagen, dass ich auf sie wartete. In der Telefonkabine, von der aus ich angerufen hatte, starrte ich lange den Hörer an. Es war eine Tankstelle in der Nähe von Vésinet. Der »Plan« des abgekarteten Spiels sah vor, dass ich dich anrufen würde, um dir von irgendeinem medizinischen Notfall oder einer Infarkt-Notoperation zu erzählen. Aber die ganze Intrige war ins Wasser gefallen. Es hatte auch angefangen zu regnen.
    Ich blieb lange in dieser Kabine. Eine Minute vielleicht, vielleicht eine Stunde? Jedenfalls kam es mir lange vor. Die ganze Mühsal meines Daseins brach über mich herein.
    Ich stieg wieder ins Auto und fuhr bis zum Hotel, wie eine Maschine, ohne an die Konsequenzen zu denken, ohne an deine Angst zu denken oder die der Kinder. Ich war froh, dass die alte Schachtel nicht gekommen war. Was hätte ich auch mit ihr machen sollen?
    Ich habe mich ins Bett gelegt und geschlafen. Bestimmt habe ich den Fernseher angemacht, den Zimmerservice kommen lassen. Ich kann mich nur noch an meine Lethargie erinnern. Nach einigen Tagen wie in Vollnarkose habe ich es schließlich geschafft, die Vorhänge zu öffnen. Draußen auf dem Parkplatzkies stand ein älteres Ehepaar. Die kleine Frau hielt die Hand ihres Mannes fest, der sich nur mit Mühe fortbewegte. Es war sehr viel Liebe in ihren Gesten. Die Sonne brannte mir in die Augen. Ich hatte mehrere Tage im Dunkeln verbracht.
    Und ohne Überlegung brach ich wieder auf, hin zum Ende meines Lebens, hin zu unserem Alt-Werden. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass wir nicht zusammen alt werden würden, dass andere Leben auf mich warteten. Wie kann ich diesen stummen Zwischenakt erklären? Im Kino wäre es ein Ausblenden ins Schwarze. Ich danke dir, dass du nichts gesagt hast, als ich zurückgekommen bin.
    Lieber Gruß,
    Harry

Harry Rosenmerck an Rabbi Moshe Cattan
    Nazareth, 19. Mai 2009
    Lieber Moshe,
    danke für die Unterweisung in Schweinologie. (Sagt man das so?)
    Ich habe sehr gelacht. Sagen Sie mal, Sie sind ja ziemlich beschlagen!
    Was Sie vielleicht nicht wissen, ist, dass unsere Cousins, die Schweine, ein Herz haben, das mit unserem kompatibel ist. Vor einigen Jahren assistierte ich bei einer Transplantation einer Alveole vom Schwein in das Herz eines Kindes.
    Wissen Sie, der Antisemitismus wird immer Nahrung finden, mit oder ohne Grund!
    Aber die drei

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