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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Sthers
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20. Juli 2009
    Lieber Harry,
    jeden Morgen beten wir nach dem Aufstehen zu Gott, um ihm dafür zu danken, dass er uns in seiner Liebe unsere Seele gegeben hat.
    Natürlich, ich bin Rabbi, also glaube ich an einen Gott, der in allen Dingen ist. Und wenn ich auch an das Unbewusste glaube, so denke ich doch auch, dass der Ewige uns indirekte Hinweise in unseren Träumen sendet, dass er ein Teil dessen ist, was wir bei uns selbst nicht kennen.
    Was hat Ihre Mutter versucht, Ihnen zu sagen, Harry? Was meinen Sie?
    Vielleicht misst du zu viel Bedeutung den Dingen zu, die du vom Leben erwartet hast und deren dich dein Sohn beraubt hat? Vielleicht sind die Wurzeln genauso wichtig wie die Knospen an den Zweigen? Wie denkst du darüber? Ja, ichduze dich, aber nur, wenn es um wichtige Dinge geht.
    Moshe

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 1. August 2009
    Betreff: Dringend
    David,
    Mama hat mir einen Zettel mitgegeben, den ich in die Klagemauer schieben sollte. Ich hatte es fast vergessen, aber heute sind Papa und ich zu Robbi nach Jerusalem gefahren, du weißt schon, zu seinem Freund, dem Antiquar.
    Ich weiß, ich hätte diesen sorgsam gefalteten Zettel nicht lesen sollen, aber ich hatte mir vorgestellt, dass sie in ihren Wünschen an Gott (wenn ich bedenke, dass sie mir, als ich gerade fünf war, erklärt hat, dass ich schon zu groß sei, um einen Brief an den Weihnachtsmann zu schreiben) etwas Unwichtiges schreiben würde, wie z. B.:
    â€“ mach, dass ich einen Mann für mich finde
    â€“ ich wünsche mir Enkelkinder
    So was in der Art…
    Aber, David, ich schreibe es dir mit hämmerndem Herzen, sie bittet Gott, er möge sie heilen. Wovon, David? Sollte es von ihrer Traurigkeit oder ihrer Geheimniskrämerei sein, bleibt es noch amüsant.
    Aber, was ist, wenn sie wirklich krank ist? Du musst zu ihr gehen, David, du musst es herausfinden.
    Nur damit du’s weißt, ich habe Angst.
    Erinnerst du dich an das erste Mal, als wir zu Robbi gegangen sind? Wir waren stundenlang in der Sonne unterwegs. Wir kamen ganz ausgelaugt bei ihm an. Er hatte nur Wasser mit Kohlensäure. Wir fanden das schrecklich, aber wir haben es getrunken.
    Mein Hals ist zugeschnürt, ohne dass ich einen Schritt getan hätte. Kümmere dich um Mama.
    Annabelle

Monique Duchêne an Harry Rosenmerck
    Paris, 27. Juli 2009
    Lieber Harry,
    ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll. An meinen Gott, der zu deinem Gott geworden ist? Den Abstrakten. Die jüdische Religion hat Recht, wenn sie ihm kein Gesicht gibt. Muss man ihm überhaupt einen Namen geben? Was bleibt von unseren Leben zurück? Sind es die kleinen Gegenstände, die in den Regalen stehen und im Weg sind, wenn man ein Buch herausziehen möchte? Die Bilderrahmen? Die Klassenfotos? Die Geburts- und Hochzeitsanzeigen? Das Schmuckdöschen, von kleinen Händen bemalt, das vorher eine Camembert-Verpackung war? Die beinamputierten russischen Matroschkas? Die Abitururkunde von Annabelle … Kleine Schätze, in denen das Lächeln steckt, das man auf unseren Gesichtern wieder erblühen sehen möchte … Nichts bleibt. Nur die Hoffnung, dass nicht alles aufhört. Die Hoffnung auf eine letzte Umarmung. Auf einen letzten Blick voller Zuneigung. Die Hoffnung, die Bibliothek zustellen zu können, damit man nicht an die Bücher herankommt, nicht die Wahrheit der Bücher kennenlernt.
    Es wird nicht wieder gut werden. Ich brauche dich, um es den Kindern zu sagen.
    Monique

David Rosenmerck an Harry Rosenmerck
    Flughafen Roissy, 1. August 2009
    Lieber Papa,
    der Himmel ist makellos.
    Nicht mal ein Drachenflieger.
    Der Streik wurde im Fernsehen angekündigt. Heute Nachmittag wird der Flughafen voller Gewerkschaftler und Spruchbänder sein.
    Ich komme nicht weg.
    Ich will in ein Flugzeug steigen.
    Ich soll morgen an der Universität von Jerusalem einen Vortrag halten. Aber das ist nicht wichtig, nicht wahr?
    Ich komme, um dich zu sehen. Auch ohne ein Wort von dir. Ich werde die Tür eintreten.
    Und es ist, als wollte die ganze Welt versuchen, mich davon abzuhalten. Als ob Tausende von protestierenden Füßen unsere Geschichte, unser Wiedersehen niedertrampeln möchten.
    Ich werde mich nicht dem Leben beugen.
    David

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 1. August 2009
    Betreff: Dringend
    Annabelle,
    ich erhalte deine Mail am

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