Schweinehunde / Roman
hatte sie unter Tränen einen Bußgang unternommen. Ihr schlechtes Gewissen, die Comtesse wegen des Verhörs in der Cafeteria der Gudme-Halle belogen zu haben, bedrückte sie so sehr, dass sie es schließlich nicht mehr ausgehalten und den Ex-Chef der Mordkommission, Kasper Planck, aufgesucht hatte. Bei ihm hoffte sie auf Verständnis.
Der alte Mann gab ihr ein Taschentuch und hörte ihr ruhig zu. Anschließend legte er seine faltige Hand auf ihren Kopf und sagte leise: »Ich glaube, die Polizei wird dir verzeihen. Warum sollte das alles spurlos an dir vorbeigehen, wenn so viele von diesem Wahnsinn gepackt werden? Die Mehrheit der Bevölkerung will überhaupt nicht, dass wir die Mörder finden, so steht es jedenfalls in den Zeitungen.«
»Aber was ist mit Frank Ditlevsens Freund? Mit diesem einen von seinen alten Jungs? Das ist doch eine wichtige Information, die ich längst hätte weitergeben sollen.«
»Soll Konrad doch selbst draufkommen. Vermutlich weiß er es längst.«
»Wie das denn? Woher soll er das denn wissen?«
»Nun, der Mord an den Brüdern war sehr persönlich: Frank Ditlevsen wurde in der Mitte aufgehängt, und Allan Ditlevsen war Herr Extra – ein ungeheuer bezeichnender Ausdruck. Diese persönliche Note muss ja irgendwo herkommen.«
Pauline Berg staunte.
»Wie lange wissen Sie das schon?«
»Wissen … ich wusste es nicht sicher, es war eher eine Vermutung, ein Gedankenspiel, aber ich habe Ende der Woche eine Verabredung, die wohl etwas Licht in seine Vergangenheit bringen wird. Im Moment müssen wir erst einmal abwarten. Kommt Zeit, kommt Rat. Aber passen Sie mal auf, ich möchte Ihnen etwas geben.«
Aus den Schubladen eines Mahagoni-Schreibschranks holte der alte Mann eine Schachtel. Er nahm den Schmuck heraus und hielt ihn hoch. Der Fisch war aus Gold und sehr schön und hing an einer einfachen, leichten Kette.
»Die hat meiner Frau gehört. Jetzt gehört sie Ihnen.«
»Aber …«
Er legte sich einen Finger an die Lippen, und sie schwieg. Dann legte sie den Schmuck an. Die Kette fiel elegant auf ihren Hals und war kaum zu spüren. Als hätte sie sie immer getragen.
»Wie wunderschön, aber …«
Wieder der Finger. Sie fühlte sich befreit, ihr war leicht zumute, und dieses Mal weinte sie vor Freude. Sie nahm sich ein zweites Taschentuch, und als ihre Tränen versiegten, meldete sich die Beschämung: »Sie beschenken mich so reich, kann ich denn nicht irgendetwas für Sie tun?«
Kasper Plancks Gesicht leuchtete auf.
»Sie können meine Blumen gießen, das wäre dringend mal wieder nötig.«
Bei dem Gedanken an ihren Rundgang mit der Gießkanne, unter der Führung des Alten, bei dem sich so vieles geklärt hatte, musste Pauline Berg lächeln. Das besiegelte die Angelegenheit, und Konrad Simonsen schloss, dass sie eine Expertin in Sachen männliche Nervosität war.
»Die Comtesse leitet das Verhör, du bist nur anwesend. Den endgültigen Entschluss dazu fälle ich aber erst, wenn auch die Comtesse mit dieser Reisebekanntschaft geredet hat und deinen Vorschlag stützt. Und noch etwas, Pauline.«
Er sah ihr direkt in die Augen.
»Wenn du einen Fehler machst oder die Comtesse Hilfe braucht, wirst du sofort abgelöst, und dann will ich anschließend keine Proteste hören, ist das klar?«
»Kristallklar, und danke für das Vertrauen. Ich glaube, deine Entscheidung ist richtig.«
»Es ist noch keine Entscheidung gefallen. Also – du hast zwei Stunden mit der Comtesse, nutzt eure Zeit.«
Das tat sie und war bereits verschwunden, als Arne Pedersen sich erhob.
Stig Åge Thorsen und sein Anwalt kamen pünktlich, und es zeigte sich gleich, dass Pauline Berg mit ihrer Vermutung richtiglag. Es war deutlich zu erkennen, dass es dem Zeugen nicht behagte, sich auf so engem Raum mit zwei Frauen zu befinden. Besonders bei der jüngeren schien er den direkten körperlichen Kontakt zu scheuen. Fast ruckartig zog er seine Hand zurück, als Pauline Berg bei ihrer warmen und freundlichen Begrüßung per Handschlag ihre linke Hand auf seine rechte legte. Konrad Simonsen und Arne Pedersen saßen hinter dem verspiegelten Fenster.
»Sie hat recht. Hast du das gesehen? Wenn man darauf achtet, sieht man deutlich, wie sehr er versucht, Abstand zu gewinnen. Vielleicht ist er sich selbst gar nicht im Klaren darüber. Sein Anwalt scheint es auf jeden Fall nicht zu bemerken«, sagte Konrad Simonsen.
Im Verhörraum machte die Comtesse eine Armbewegung und sagte: »Nehmen Sie doch Platz. Wie
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